«Gegner verwandeln sich in Freunde»
Rund um die Gründungen der verschiedenen Generationen von Schaaner Turnvereinen ist vieles belegt und dennoch einiges unklar. Erstmals erwähnt wird ein Turnverein aus Schaan im «Volksblatt» vom 4. Januar 1895. Doch es sollte 30 weitere Jahre dauern, bis sich der heutige TV etablierte – und selbst er hatte mit einer langen Unterbrechung fertigzuwerden.
Wann in Schaan erstmals geturnt wurde, lässt sich nicht genau sagen. Bei der ersten medialen Erwähnung 1895 hatte der erste Turnverein schon Bestand. Der Turnwart lud per Inserat alle eingeschriebenen Mitglieder sowie jene, die es werden wollten, zur Generalversammlung am 6. Januar in die «Linde» ein. Dann wird es ruhig. Zum nächsten Mal tritt ein solcher Verein erst wieder am 8. April 1904 mit der Ankündigung einer Generalversammlung in Erscheinung. Ob es noch um denselben Verein geht wie rund zehn Jahre zuvor, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Einiges spricht aber dafür, dass es sich um eine Neugründung handelte. So gab sich der Verein 1904 eine Satzung und trat in der Folge unter dem Namen «Turn- und Athletikklub» auf. Ausserdem heisst es, ebenfalls wieder im «Volksblatt», dass der Verein beim ersten internationalen ostschweizerischen Athletenfest in St. Gallen im Juni 1904 «kaum zwei Monate besteht», aber schon den dritten Lorbeerkranz erringen konnte. «So ist der Jubel unserer Mitbürger leicht erklärlich und wirft ein gutes Licht auf unsere kerngesunde, kräftige Bevölkerung», schrieb der Redaktor nicht ohne Pathos.
Gewichtheben sorgt für Langeweile
Am 8. Januar 1905 präsentierte der Verein sein Können im Saal des Restaurants Linde – es handelte sich quasi um einen frühen Vorfahren der heutigen Turnerunterhaltungen. «Sämtliche 12 Nummern dieses reichhaltigen Programmes wurden mit einer staunenswerten Präzision durchgeführt», schrieb die Zeitung damals. Solche Leistungen könnten nur erreicht werden «durch vortreffliche Schulung, tüchtige Leitung, stramme Disziplin, eisernen Fleiss und Lust und Liebe zur Sache». Als einzige Kritik fügte der Autor an, dass bei folgenden Veranstaltungen das Schwergewichtstemmen deutlich gekürzt werden solle, da es für Turner wie Zuschauer auf die Dauer ermüdend wirke. Ab 1913 wurde es aber auch um diesen Verein still.
Erstmals wieder die Rede von einem Schaaner Turnverein ist dann im Juli und August 1925. Diese Neugründung sieht der heutige Turnverein als seine eigentliche Geburtsstunde an. Damals berichtete das «Volksblatt», dass sich eine Anzahl junger Männer zusammengefunden habe, um eben einen solchen Verein zu gründen. Alle, die Lust und Liebe an turnerischen Leibesübungen hätten und Freunde des Turnfachs seien, sollten sich in einem Verein zusammenschliessen und «unter zielbewusster Leitung ein geregelter, gleichmässiger Turnbetrieb gepflegt werden». Denn das Turnen trage zur Gesundheit aller Arten von Berufsleuten bei und stelle sich die Aufgabe, «von vaterländischem Geiste und sittlichem Ernste erfüllte freie Männer heranzuziehen».
Landesfürst und Klosterfrauen als Turnfreunde
Die Turner fanden sich donnerstags und samstags von 20 bis 22 Uhr im Saal der «Linde» ein, um sich im Gleichschritt und im Bodenturnen zu üben. Für die Anschaffung von Geräten fehlten dem Verein jedoch noch die finanziellen Mittel. Um dies zu ändern, wurde beschlossen, dass die Turner in der Bevölkerung Gönner suchen sollten. «Die Turnerschar wird Ihnen dankbar sein, es gilt fürs eigene Volk», hiess es. Auch die Tradition der Turnerkränzchen – nun bereits unter diesem Namen – hielt der Verein aufrecht. Mit vollem Erfolg: «Denn während am ersten Abend der Lindensaal sich rasch mit den Freunden der Turnsache füllte, so war am zweiten Abend noch vor Kassaschluss nicht nur der Saal, sondern alle Wirtschaftsräume übervoll», schrieb die Zeitung im Anschluss an die folgende Monatsversammlung. In der gleichen Versammlung konnte der Verein auch vermelden, dass Fürst Johann II. 300 Franken für die Anschaffung von Turngeräten gespendet habe. Beim nächsten Schauturnen im Juli 1926, also nur fünf Monate später, konnten bereits Übungen an den neuen Geräten vorgeführt werden. Beim Zuschauen könne man beobachten, «wie rasch sich Gegner in Freunde der Turnsache verwandeln», schrieb das «Volksblatt».
Im August 1930 fand die Fahnenweihe des Turnvereins unter dem Patronat von Fräulein Maria Risch, der Tochter von Vorsteher Ferdinand Risch, statt. Die Fahne wurde von den Schwestern vom Kostbaren Blute im Kloster St. Elisabeth angefertigt. Über 50 befreundete Turnvereine hatten sich zum entsprechenden Fest angekündigt, das unter anderem mit einem Umzug und turnerischen Wettkämpfen einherging. Spätestens 1933 verfügte der Verein auch über eine Damenriege, wie die Zeitungsanzeige zum Turnerkränzchen belegt. 1936 löste er sich dann aber aufgrund Platzmangels, also fehlender Trainingsmöglichkeiten, erneut auf.
Der endgültige Neustart gelingt
«Nach einem Unterbruch von beinahe 15 Jahren gelang es einigen früheren Turnerfreunden, den Verein wieder auf die Beine zu stellen», heisst es in der Jubiläumsschrift des Turnvereins zum 50-jährigen Bestehen aus dem Jahr 1975. Am 27. September 1951 jedenfalls versammelte sich eine stattliche Zahl Turnfreunde im Café Risch zu einer ersten Besprechung. Vorausgegangen war Werbung unter der Dorfjugend und in verschiedenen Zeitungsinseraten. Es kam zur sofortigen Neugründung des Vereins unter dem alten und neuen Präsidenten Gottlieb Hilti. Dieser überraschte auch gleich mit der Ankündigung, dass bei der nächsten Zusammenkunft die neu erstellte Turnhalle besichtigt werden könne. Bereits am 10. Dezember wurde der regelmässige Turnbetrieb wieder aufgenommen. «Der Präsident ermahnte die Jungturner wiederholt, sie sollten die Turnstunden mehr besuchen. Denn viele Augen des Auslandes sind auf unser kleines Ländchen gerichtet und wir wollen zeigen, dass durch frohen, turnerischen Geist unsere Jugend ohne militärischen Zwang zu aufrechter Disziplin und körperlicher Ertüchtigung zu gestählten Männern» werde, heisst es im Protokollbuch zu den Zielen des Turnens in Schaan.
Neue Riegen und eine Reihe von Turnfesten
Im Dezember 1952 kam es zur Gründung einer Damenriege, was bei den männlichen Turnern auf äusserst positive Resonanz stiess. «Die Damenriege schaffte sich in den darauffolgenden Jahren zu einem nicht mehr wegzudenkenden Bestandteil des Turnvereins empor.» Im Januar 1953 ging dann die erste Turnerunterhaltung des neugegründeten Vereins über die Bühne und im Juli ein Wettkampf, an dem bereits der erste Lorbeerkranz erturnt wurde. Entsprechend gross war der Empfang in Schaan mit Harmoniemusik und Zug durchs Dorf. 1955 folgte die erste Teilnahme an einem eidgenössischen Turnfest, welche ebenfalls mit der Erringung eines Kranzes gekrönt wurde. Viele weitere Turnerunterhaltungen, Turnfeste und Kränze folgten und die Jahre gingen dahin. Heute steht der Verein gefestigter denn je da und deckt vom Eltern-Kind-Turnen bis zu den Seniorinnen und Senioren alle Altersklassen ab.
Auftaktbild: Gründerfoto Turnverein Schaan 1926 (Gemeindearchiv Schaan / Fotograf: Paul Marxer)