
100 Jahre Turnverein: «Freie Männer von sittlichem Ernste»
Das Turnen startete seinen Siegeszug im deutschsprachigen Raum zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Es sollte nicht nur den Körper, sondern im patriotischen Sinn auch den Geist formen. In Schaan fassten die Sportart und die Philosophie dahinter erst gegen Ende des Jahrhunderts Fuss, fanden dann aber rasch zahlreiche Anhänger.
Turnvereine wurden in Schaan gleich mehrfach aus der Taufe gehoben: 1894, 1904 und 1912 war es jeweils so weit. Immer wieder starteten die Mitglieder mit viel Enthusiasmus in das Unterfangen, gewannen sogar Preise an regionalen Meisterschaften oder luden zum Turnerkränzle. Auch dabei wussten sie durchaus zu überzeugen, wie das «Volksblatt» am 13. Januar 1905 festhielt: «Vortreffliche Schulung, tüchtige Leitung, stramme Disziplin, eisernen Fleiss und Lust und Liebe zur Sache» hätten für eine grossartige Vorstellung gesorgt. Doch dauerhaften Bestand hatte keiner dieser frühen Schaaner Turnvereine. Das sollte sich erst 1925 ändern. Damals schlug die Geburtsstunde des heutigen TV Schaan.
Wieder berichtete das «Volksblatt». Der Redaktor hielt fest, dass sich eine Anzahl junger Männer zum Turnen zusammengefunden habe. Alle, «die Lust und Liebe an turnerischen Leibesübungen» hätten und «Freunde des Turnfachs» seien, sollten sich ihnen anschliessen, und es solle «unter zielbewusster Leitung ein geregelter, gleichmässiger Turnbetrieb gepflegt werden». Denn das Turnen trage zur «Gesundheit aller Arten von Berufsleuten» bei und stelle sich die Aufgabe, «von vaterländischem Geiste und sittlichem Ernste erfüllte freie Männer heranzuziehen».
Der Fürst hilft grosszügig mit
Wie sehr es den damaligen Schaaner Turnern wirklich um vaterländischen Geist und sittlichen Ernst ging, sei dahingestellt. Geturnt haben sie jedenfalls. Sie trafen sich zweimal pro Woche, donnerstags und samstags von 20 bis 22 Uhr im Saal der «Linde», wo sie sich im Gleichschritt und im Bodenturnen übten. Für Geräte fehlten noch die finanziellen Mittel. Um dies zu ändern, wurde beschlossen, in der Bevölkerung Gönner zu suchen. «Die Turnerschar wird Ihnen dankbar sein, es gilt fürs eigene Volk», schrieb das «Volksblatt» im turnerisch-vaterländischen Sprachgebrauch jener Zeit. So kam etwas Geld zusammen, und als Fürst Johann II. auch noch 300 Franken spendete, konnten die Schaaner Turner 1926 erstmals an Pferd und Barren trainieren.
Im August 1930 bekam der Verein sogar seine erste Fahne. Sie war angefertigt worden von den Anbeterinnen des Blutes Christi im Kloster St. Elisabeth und soll ausgezeichnet gelungen sein. Natürlich musste sie auch geweiht werden. Dutzende befreundete Vereine erschienen zum entsprechenden Fest, das mit einem Umzug und turnerischen Wettkämpfen einherging. Spätestens 1933 verfügten die Turner auch über eine Damenriege. 1936 löste der Verein sich dann aber mangels geeigneter Übungsstätte wieder auf. Mehr als ein Jahrzehnt blieb es ruhig um das Turnen in Schaan. Doch der Gedanke an die Trainings, Vorführungen, Wettkämpfe und Geselligkeit liess die ehemaligen Vereinsmitglieder nicht los. Die alte Garde und eine Reihe junger Männer fanden sich Ende der 1940er-Jahre regelmässig im «Rössle» zusammen, um sich zu ertüchtigen. Bis zur Neugründung des Vereins war es von da an nur noch ein kleiner Schritt.
Unter den «Augen des Auslands»
Am 27. September 1951 versammelte sich eine stattliche Zahl Turnfreunde im Café Risch zu einer ersten Besprechung. Vorausgegangen war Werbung unter der Dorfjugend und in Zeitungsinseraten. Es kam zur sofortigen Neugründung des Vereins unter dem alten und neuen Präsidenten Gottlieb Hilti. Dieser überraschte auch gleich mit der Ankündigung, dass bei der nächsten Zusammenkunft die neu erstellte Turnhalle besichtigt werden könne. Bereits am 10. Dezember konnte der regelmässige Turnbetrieb aufgenommen werden. Wobei die Tugend des Fleisses zu Anfang noch etwas zu wünschen übrig liess. «Der Präsident ermahnte die Jungturner wiederholt, sie sollten die Turnstunden mehr besuchen. Denn viele Augen des Auslandes sind auf unser kleines Ländchen gerichtet und wir wollen zeigen, dass durch frohen, turnerischen Geist unsere Jugend ohne militärischen Zwang zu aufrechter Disziplin und körperlicher Ertüchtigung zu gestählten Männern» werden, heisst es im Protokollbuch des TV Schaan.
Im Dezember 1952 gründete der Verein zusätzlich zur Jugend- und Männerriege auch wieder eine Damenriege, im Januar 1953 ging die erste Turnerunterhaltung über die Bühne und im Juli ein Wettkampf, an dem die Schaaner bereits der erste Lorbeerkranz erturnen konnten. Entsprechend gross war der Empfang in Schaan mit Harmoniemusik und Zug durchs Dorf. 1955 folgte die erste Teilnahme an einem eidgenössischen Turnfest, die ebenfalls mit der Erringung eines Kranzes gekrönt wurde. Viele weitere Turnerunterhaltungen, Turnfeste und Kränze folgten, die Jahre gingen dahin, weitere Riegen wurden gegründet. Und dieses Mal hatte der Verein wirklich Bestand, sodass in diesem Sommer in Erinnerung an die Turnpioniere von 1925 das 100-jährige Vereinsbestehen gefeiert werden kann.
Das grosse Fest steigt im August
Natürlich stehen auch beim Jubiläum die Bewegung und Werte wie Kameradschaft und Geselligkeit im Zentrum. Die Verbundenheit zur Schaaner Bevölkerung, die den Turnverein während seiner ganzen Geschichte ausgezeichnet hat, wird beim zweitätigen Festanlass am 22. und 23. August ebenfalls zelebriert. Über Details informieren der Turnverein und die Gemeinde Schaan rechtzeitig auf ihren Kanälen.
Auftaktfoto: Turn- und Athletik-Verein Schaan 1904, Gemeindearchiv Schaan