«Die sanfte Ablösung ist wichtig»
Seit August 2023 leiten Petra Boss-Ott und Rosy Oliva gemeinsam die Spielgruppe Kindergarten Rebera Nord. Mit viel Herz und Empathie begleiten sie ihre Schützlinge bei ihren ersten wichtigen Erfahrungen ohne elterlichen Beistand. Fünf Fragen an zwei Frauen, die ihre Bestimmung gefunden haben.
1. Ihr wohnt in Ruggell und Balzers – der nördlichsten und südlichsten Gemeinde Liechtensteins. Wie kam es dazu, dass ihr gemeinsam die Leitung der Schaaner Spielgruppen im Kindergarten Rebera übernommen habt?
Petra: Ich bin bereits seit 20 Jahren Spielgruppenleiterin und habe schon in einigen Gemeinden gearbeitet. Unsere Vorgängerin, Dagmar Falk, welche die Spielgruppe im Kindergarten Rebera Nord viele Jahre führte, suchte jemand, der sie unterstützt und hat einen entsprechenden Aufruf an die Mitglieder des Spielgruppenvereins Liechtenstein geschickt. Ich habe mich auf dieses Inserat beworben. Die Freude war gross, als ich die Nachricht erhalten habe, dass ich für Schaaner Kinder Spielgruppe geben darf. Schaan ist eine tolle kinderfreundliche Gemeinde, in der die Spielgruppe einen hohen Stellenwert hat.
Rosy: Ich bin erst seit vier Jahren Spielgruppenleiterin. Damals war ich gerade Mama geworden und arbeitete als Verkäuferin. Ich tat mich enorm schwer, meinen kleinen Sohn abzugeben, wenn ich zur Arbeit musste. Als ich in eine Spielgruppe in Balzers hineinschnuppern durfte, merkte ich schnell, dass das der perfekte Job für mich ist. Ich habe Kinder grundsätzlich gerne – und die Arbeit als Spielgruppenleiterin lässt sich gut mit eigenen Kindern kombinieren. Also habe ich die Ausbildung gemacht. Nachdem ich zwei Spielgruppen in Balzers betreut habe, wechselte ich zu Dagmar nach Schaan. Sie fragte mich dann auch direkt an, ob ich gemeinsam mit Petra ihre Nachfolge antreten wolle – und ich sagte ja.
2. Euer Spielgruppen-Angebot richtet sich an Kleinkinder ab zweieinhalb Jahren bis zum Kindergarteneintritt und dauert jeweils zwei bis zweieinhalb Stunden. Wie muss man sich den Ablauf einer typischen Spielgruppe vorstellen?
Rosy: Einen fixen Ablauf gibt es nicht. In der Regel lasse ich die Kinder zu Beginn frei spielen, anschliessend basteln oder malen wir etwas zusammen. Wir machen gemeinsam Spiele, singen Lieder, essen Znüni und gehen bei schönem Wetter raus auf den eingezäunten Spielplatz. Niemand wird zu irgendetwas gezwungen, alles passiert auf freiwilliger Basis. Dabei beläuft sich die Gruppengrösse meist auf sechs bis acht Kinder. Wenn es mehr sind, müssen wir zwei Spielgruppenleiterinnen sein.
Petra: Die besagte Freiwilligkeit ist ein zentraler Aspekt in der Spielgruppe. Wir bieten Raum für freies Spiel und kreatives Schaffen. Gleichzeitig ist es eine ideale Gelegenheit, um gleichaltrige Kinder zu treffen. Es ist für mich immer wieder faszinierend zu sehen, mit wie viel Freude und Fantasie unsere Schützlinge Dinge umsetzen. Neu bieten wir auch ein Trampolin und ein sogenanntes «Pikler-Dreieck» – benannt nach der Kinderärztin Emmi Pikler – an, das die Kinder zur Bewegung animiert und ihre motorischen Fähigkeiten fördert. Beide Geräte sind ausserordentlich beliebt.
3. Warum ist es für Eltern sinnvoll, ihr Kind in eine Spielgruppe zu bringen
Petra: Die sanfte Ablösung ist wichtig und eine gute Vorbereitung auf den Kindergarten. Das sich Lösen von den Eltern, das soziale Einfügen in die Gruppe, das Rücksicht nehmen und sich behaupten: All das lernen die Kinder in der Spielgruppe auf spielerische Art und Weise – ganz ohne Zwang. Interessanterweise ist die Sprache in dem Alter noch kein Thema. Die Kinder verschiedener Nationalitäten verstehen sich meist problemlos und erlernen die deutsche Sprache ganz nebenbei.
Rosy: Der Druck ist in der Spielgruppe noch nicht so stark wie im Kindergarten, und die Eltern dürfen auch dabeibleiben, bis sich ihr Nachwuchs bei uns wohlfühlt. Die Kinder lernen zu teilen, einander zu helfen, zu streiten und wieder Frieden zu schliessen. Ausserdem lernen sie ganz alltägliche Dinge, wie die Znünibox öffnen und sie anschliessend wieder sorgfältig im Rucksack zu versorgen. Zu Beginn muss ich sie oft bei jedem Schritt begleiten, aber schon nach kurzer Zeit klappt es von selbst. So werden die Kinder von Mal zu Mal selbstständiger und selbstbewusster.
4. Wie finanziert sich die Spielgruppe?
Petra: Die Gemeinde Schaan unterstützt uns mit einem grosszügigen jährlichen Betrag. Ausserdem stellt sie uns die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung. Dafür sind wir sehr dankbar. Ansonsten verlangen wir pro Kind und Vormittag beziehungsweise Nachmittag 15 Franken.
5. Was sind die grössten Herausforderungen als Spielgruppenleiterin?
Petra: Auf jeden Fall der Ablösungsprozess. Dieser kann nur funktionieren, wenn die Dreiecksbeziehung Leiterin-Eltern-Kind auf Vertrauen basiert. Es ist aber eine Herausforderung, die Spass macht. Es macht einfach Freude, die Kinder auf ihren ersten Schritten in die Unabhängigkeit zu begleiten. Es ist ein unglaublich herziges Alter, in dem die Kinder noch sehr spontan, ehrlich und voller Energie sind. Für die Mütter biete ich ein «Mama-Bänkli» an, auf dem sie ihrem Kind jederzeit beim Spiel zuschauen und dabeibleiben können. Fühlen sich Kind und Mama wohl, ist das Bänkchen dann schnell wieder frei. Übrigens: Wer mal in eine Spielgruppe hineinschnuppern möchte, ist herzlich eingeladen, uns nach Terminvereinbarung für eine Stunde zu besuchen.
Rosy: Einmal hatte ich ein kleines Kind, das sich wie ein Baby an mich gehängt hat. Ich musste mehr die Rolle einer Babysitterin einnehmen als diejenige einer Spielgruppenleiterin. Ich habe dann mit der Mutter gesprochen und ihr gesagt, dass es noch zu früh für das Kind ist. Ein halbes Jahr später ist es dann wiedergekommen und hat sich perfekt in die Gruppe eingefügt. Jedes Kind ist anders, und man muss individuell auf seine Bedürfnisse eingehen. Eine Herausforderung – aber eine schöne – ist es auch immer, wenn ich ein Kind mit besonderen Bedürfnissen habe. Wenn das der Fall ist, nehme ich weniger Kinder in die Gruppe, damit ich mehr Zeit für jedes einzelne Kind habe. Mein Ziel ist es, dass jedes Kind für sich etwas aus der Spielgruppe mitnehmen kann. Und wenn ich meine früheren Schützlinge auf dem Pausenplatz wiedersehe – der Kindergarten befindet sich im selben Gebäude – und von allen Seiten ein freudiges «Rosy, Rosy» ertönt, geht mir das Herz auf. Für diese Momente mache ich diesen Job.
Spielgruppen Kindergarten Rebera Nord (frühzeitige Anmeldung ist erwünscht):
- Montag, 9 – 11 Uhr (Rosy)
- Dienstag, 9 – 11 Uhr (Petra)
- Mittwoch, 9 – 11 Uhr (Petra)
- Donnerstag, 9 – 11 Uhr / 14 – 16 Uhr (Rosy)
Kontakt:
- Rosy Oliva: , Tel. +41 79 200 71 38
- Petra Boss-Ott : , Tel. +41 78 657 23 39
Fotos: Michael Zanghellini