«Ich möchte das Gefühl von Familie vermitteln»
Sie ist die gute Seele im Treff am Lindarank (TAL), die für jede und jeden immer ein offenes Ohr hat. Rita Rüdisser ist für zahlreiche Angehörige der älteren Generationen in der Gemeinde Schaan weit mehr als «nur» die Leiterin des Seniorentreffs. Sie ist ihre Vertraute, die nie den Blick für das Positive verliert und die sich auch in schwierigen Zeiten dafür einsetzt, dass wertvolle gemeinsame Zeit möglich ist.
1. Schon bevor dir im Jahr 2010 die Leitung des Treffs am Lindarank übertragen wurde, hast du dich für ältere Menschen engagiert. Rund zehn Jahre warst du zum Beispiel Sportleiterin beim Seniorenbund. Wie ist es dazu gekommen, dass diese Altersgruppe ein solches Herzensanliegen von dir geworden ist?
Das hat sich einfach so ergeben. Ich liebte schon immer den Kontakt zu Menschen. Ich mag es, viele Leute um mich herum zu haben. Als meine Kinder älter wurden, begann ich, regelmässig in einer Gruppe zu turnen. Irgendwann fragte mich unsere damalige Leiterin, ob ich Lust hätte, eine Sportgruppe der Kontakt- und Beratungsstelle Alter zu leiten – des späteren Seniorenbunds. Das hatte ich! Und so begann ich 1998 mit dem Angebot «Fit ab 50». Der Kontakt zu Seniorinnen und Senioren hat mir von Anfang an enorm viel gegeben. Ich schätze ihre entwaffnende Ehrlichkeit. Und es kommt so viel Dankbarkeit zurück. Nach zehn Jahren musste ich jedoch aus familiären Gründen eine Auszeit nehmen und danach war die Zeit für eine Neuorientierung reif. So begann ich als Freiwillige im damaligen Schaaner Seniorentreff Sennerei mitzuarbeiten. Als schliesslich die Stelle als Leiterin des neuen Treffs am Lindarank bei der Gemeinde Schaan ausgeschrieben wurde, wusste ich: Das ist es! Es fühlte sich richtig an, so als ob sie für mich geschrieben worden wäre.
2. Das Angebot für ältere Menschen ist in Schaan sehr vielseitig. Es reicht von gemeinsamen Spaziergängen über Advents- und Fasnachtsnachmittage bis hin zu Referaten. Was kommt denn am besten an?
Am besten besucht sind eigentlich immer die Anlässe, an denen die Geselligkeit im Vordergrund steht – wie zum Beispiel das Grill- oder der Herbstfest. Allerdings ist es mir persönlich wichtig, zusätzliche Angebot zu schaffen. Dazu gehören Vorträge sowie Informationsveranstaltungen zu diversen Themen, die im Alter bedeutsam sind. Ich glaube, die geistige und körperliche Beweglichkeit sind neben dem zwischenmenschlichen Austausch die zentralen Faktoren, um lange fit zu bleiben. Mir ist es nicht wichtig, mit den Angeboten möglichst viele Menschen anzulocken. Es geht um Qualitätszeit. Egal, ob es zwei oder zwanzig Personen sind: Die Besucherinnen und Besuchern sollen bei uns eine gute Zeit verbringen. Ich habe für alle ein offenes Ohr haben und möchte einfach für sie da sein. Ein Anspruch, der natürlich nur dank der grossen Unterstützung der vielen tollen Freiwilligen umsetzbar ist. Sie sind für den Treff und auch mich persönlich von unschätzbarem Wert! Ohne ihr Engagement wäre es nicht möglich, ein so vielseitiges Angebot auf die Beine zu stellen.
3. Die Besucherzahlen zeigen: Das Bedürfnis der Senioren ist gross, sich zu treffen und gemeinsame Zeit zu verbringen. Hat die Pandemie diese Altersgruppe beziehungsweise das Leben im TAL besonders hart getroffen?
Ich würde schon sagen – vor allem zur Zeit des totalen Lockdowns 2020. Für einige unserer Stammgäste ist der Treff am Lindarank mehr als nur ein Seniorentreff. Dort können sie der Einsamkeit entkommen, Gespräche führen. Es ging mir damals sehr nahe, als wir den Treff schliessen mussten. Um dennoch irgendwas tun zu können, habe ich eine Liste mit meinen Stammgästen angelegt. Und täglich habe ich eine Person darauf angerufen und sie gefragt, wie es ihr geht. Nicht selten dauerten diese Gespräche sehr lang. Es war mir wichtig, meinen Seniorinnen und Senioren das Gefühl zu vermitteln, dass ich für sie da bin und sie jemanden zum Reden haben. Später haben wir dann gemeinsame Spaziergänge durchs Dorf organisiert, die grossen Anklang fanden. Der Lauf-Treff «Langsam voran» wird heute noch an den Dienstagnachmittagen angeboten.
4. Der Kontakt mit Seniorinnen und Seniorinnen bringt sicher viele schöne Momente mit sich. Magst du uns ein besonders erinnerungswürdiges Erlebnis erzählen?
Der Satz, der mich am meisten berührt hat, kam von einer Seniorin, deren Mann gestorben war und die uns praktisch täglich im Treff besuchte. Sie sagte einmal zu mir: «Weisst du, Rita, bei euch habe ich wieder eine zweite Stube gefunden, eine neue Familie.» Genau aus diesem Grund liebe ich das, was ich hier tue. Niemand soll allein sein müssen, wenn er das nicht möchte. Wenn wir es schaffen, im TAL das Gefühl von Familie zu vermitteln, weiss ich, dass ich in meinem Leben etwas Sinnvolles mache.
5. Du wirkst als Person immer sehr energiegeladen, sportlich und gut gelaunt. Verrätst du uns dein Geheimnis der «ewigen Jugend»?
(lacht) Ich habe einfach Freude am Leben. Einerseits war ich schon als Kind eine sehr fröhliche und energiegeladene Person, andererseits hat mich sicher auch meine Lebensgeschichte geprägt. Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, bin ich einfach dankbar dafür, dass ich keine Schmerzen habe, mich bewegen kann und von lieben Menschen umgeben bin. Ein grösseres Geschenk gibt es für mich nicht.
Foto: Brigitt Risch