
Wohnen in historischer Bausubstanz
Nachhaltiges Handeln ist der Gemeinde Schaan ein grosses Anliegen. Das Gleiche gilt für den schonenden Umgang mit historischen Gebäuden, wenn ihr kultureller Wert und der wirtschaftliche Aufwand eine weitere Nutzung erlauben. Das um 1600 erbaute Wohnhaus an der Winkelgass 2 erfüllt diese Voraussetzungen. Daher soll die historische Bausubstanz erhalten bleiben, während in ihr zeitgemässer Wohnraum entsteht.
«Die Hofstätte liegt im rätoromanischen Schaaner Siedlungskern und nimmt damit eine landes- und siedlungsgeschichtlich primäre Stellung ein – insbesondere in Nachbarschaft zur landesherrschaftlichen Hofstätte, den Landweibelhäusern. Das Objekt weist eine besonders vielfältige Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte auf und zählt zu den ältesten Wohnhäusern in Schaan.» Diese Würdigung des historischen Gebäudes, gelegen an der Abzweigung von der Landstrasse in die Winkelgass, stammt aus einem baugeschichtlichen Kurzgutachten, welches das damalige Hochbauamt im Jahr 1996 in Auftrag gegeben hat.
Aus diesem Gutachten geht hervor, dass das markante Haus in zwei Etappen entstanden ist. Deren erste umfasst einen Kernbau für eine Familie «in hierzulande klassischer Bau- und Raumstruktur mit aus Rüfesteinen gemauertem und verputztem Kellergeschoss, Küchenbereich und Südfassadenwand sowie in Kantholz-Strickbauweise gezimmertem Stuben-/Kammerblock». Später erfolgte eine Erweiterung um 2,8 Meter Richtung Osten.
Zwei gesonderte Wohneinheiten
Zwei Familien bewohnten danach das Haus an der Winkelgass, das deshalb auch über zwei Eingänge erschlossen war. Der Keller mit seinen beiden Räumen war ursprünglich nur über eine Luke im Boden der Küche zu erreichen. Nach der Erweiterung erhielt er einen zweiten Zugang, sodass jede Familie einen Kellerraum unabhängig von der anderen nutzen konnte. Auch die Küche wurde so geteilt, dass beide Parteien ihren eigenen Bereich hatten. Die Stuben im Obergeschoss waren ab der Einteilung ebenfalls gesondert über zwei Treppenhäuser erreichbar.
Wer das Haus bewohnt hat, ist erst seit 1809 belegt, dem Jahr, als in Liechtenstein das Grundbuch eingeführt wurde. Damals war es Franz Xaver Beck (1774–1850), der 1822/23 als Säckelmeister eines der beiden höchsten Gemeindeämter innehatte. Bis 1903 blieb es im Familienbesitz. Dann verkaufte Joseph Beck (1858–1921), von 1912 bis 1915 Schaaner Gemeindevorsteher, die Liegenschaft. Über mehrere weitere Kaufverträge und Erbeinantwortungen gelangte sie ins Eigentum ihrer letzten Besitzer, von denen die Gemeinde Schaan das geschichtsträchtige Gebäude im Jahr 2023 über einen Tausch erlangt hat.
Zwei Varianten für die künftige Nutzung
«Die beiden Wohneinheiten waren nicht mehr genutzt, als die Gemeinde in den Besitz des Hauses gelangt ist», sagt die Schaaner Hochbauleiterin Marion Risch. Künftig sollen sie aber wieder mit Leben gefüllt werden, weshalb die Gemeindebauverwaltung zwei Varianten für einen Innenausbau ausarbeiten liess.
Die erste Möglichkeit sieht vor, aus den beiden Wohnungen eine Wohneinheit zu machen. «Das würde bedeuten, eine Küche und eine Treppe rückzubauen und das ganze Gebäude vom Keller bis zum Dach mit einem Treppenaufgang zu erschliessen. Der Wohn- und Essbereich befände sich im Erdgeschoss, im Obergeschoss befänden sich Schlafzimmer und Nasszellen mit Duschen», sagt Marion Risch. Der Dachraum kann nicht ausgebaut werden, da er zu niedrig ist. Die zweite Variante sieht vor, zwei getrennte, entsprechend kleine Wohneinheiten beizubehalten.
«Darüber, welche Variante zur Anwendung kommt, wird der Gemeinderat voraussichtlich im Herbst 2025 entscheiden. Auch in Sachen Ausbaustandard und Materialisierung ist noch vieles offen», sagt die Hochbauleiterin. «Unser Ziel ist es, die historische Bausubstanz nicht nur zu erhalten, sondern sie mittelfristig auch wieder für Wohnzwecke mit einem zeitgemässen, aber dem Gebäude angepassten Standard zur Verfügung zu stellen.»
Ein tragisches Unglück schuf eine Baulücke
Eine weitere Frage, mit der sich der Gemeinderat noch befassen wird, bezieht sich auf den Aussenraum der Parzelle, südlich des Wohnhauses Winkelgass 2 in Richtung des ehemaligen Gasthauses Traube gelegen. Dort befand sich bis zum 4. Dezember 1973 ein Wohnhaus, das an jenem denkwürdigen Tag gegen 11.30 Uhr durch eine Explosion zerstört worden ist. Der Grund liegt wohl in Arbeiten, die zu dieser Zeit an der Hausentlüftung im Gange waren.
«Am betreffenden Gebäude war nichts mehr zu retten, da eine Seite durch die Explosion auf die ganze Umgebung geschleudert wurde, so musste nur noch ein Übergreifen des Feuers auf die unmittelbaren Nachbargebäude verhindert werden», heisst es im Protokollbuch der Freiwilligen Feuerwehr Schaan. Drei Personen, die sich im Gebäude befanden, wurden schwer verletzt, eine von ihnen verstarb an den Folgen am 1. Dezember 1974.
«Durch den Wegfall des südlichen Wohnhauses entstand eine Baulücke, die sich heute als grosse Freifläche präsentiert», sagt Marion Risch. «Im Zuge der Gebäudesanierung ist dieser grosszügige Aussenraum in die Überlegungen einzubeziehen. Als Varianten haben wir einen umschlossenen Aussenraum für die künftigen Mieter angedacht, allenfalls auch einen Pavillon oder eine Pergola. So wäre es ebenfalls möglich, einen Abstellraum für Fahrräder und Ähnliches zu schaffen, da die steilen Treppen eine Nutzung des Kellers für solche Gegenstände nahezu verunmöglichen.» Auch die Erstellung eines Brunnens im Aussenraum ist ein Thema. «Die Behandlung im Gemeinderat wird zeigen, ob wir mit diesen Vorüberlegungen auf dem richtigen Weg sind», sagt Marion Risch.
Fotos: Brigitt Risch