
Serie Waldgeflüster: Der Igel – stachelige Supernase
Er ist klein, rundlich und tapst mit kurzen Beinchen eher gemächlich durch die Landschaft: Das hört sich nicht sehr furchteinflössend an. Und doch: Fressfeinde meiden ihn. Denn wenn Gefahr droht, rollt sich der Igel blitzschnell zu einem Stachelball zusammen. Wer da zubeisst ... Autsch! Was den Igel sonst noch einzigartig macht, erzählt er im Interview.
Die meisten Menschen freuen sich, wenn sie dich sehen. Warum zeigst du dich so selten?
Das liegt daran, dass die Menschen die Nächte lieber in ihren Betten verschlafen. Ich ziehe nämlich erst in der Dämmerung los, um Futter zu suchen. Würmer, Raupen, Käfer und Schnecken schmecken mir am besten, und mit meiner langen Nase, meinem ausgezeichneten Geruchssinn und meinem super Gehör bin ich ein wahrer Meister im Aufspüren dieser Leckerbissen. Leider fange ich mir auf diesen Streifzügen auch immer viele Flöhe, Milben und Zecken ein – das ist ein bisschen lästig. Vor allem, weil mir meine Stacheln die Körperpflege sehr schwer machen. Auf die Unterstützung von Freunden kann ich beim Entfernen der Parasiten nicht zählen. Denn als Eigenbrötler bin ich am liebsten allein unterwegs. Basta.
Deine Stacheln sind dein Markenzeichen. Wofür brauchst du sie überhaupt?
Meine bis zu 8000 Stacheln, die ich aufstellen oder ablegen kann, sind ein top Schutz gegen tierische Feinde. Naht Gefahr, rolle ich mich einfach zu einem Stachelball zusammen und verstecke so meinen verletzlichen Kopf und Bauch. Meistens merken meine Gegner schnell, dass sie sich bei mir nur eine blutige Schnauze einfangen. Dennoch muss ich auf der Hut sein. Denn einigen Tieren wie dem Uhu mit seinen langen Fängen gelingt es, meinen Stachelpanzer zu durchstechen. Und auch der Dachs ist geschickt darin, uns zu überlisten. Da hilft dann alles Droh-Fauchen nichts. Mein grösster Feind besteht aber aus Blech. Ich bin nicht der Schnellste beim Überqueren von Strassen, und wenn unachtsame Menschen am Steuer der Autos sitzen, kann dies ein trauriges Ende nehmen. Autoreifen sind leider härter als ich.
Du hast gesagt, dass du vor Ärger auch mal fauchst. Machst du noch andere Geräusche?
Ich verfüge über ein ganzes Repertoire an Geräuschen: Neben Fauchen kann ich Tuckern, Keckern oder auch Kreischen. Zum Beispiel in der Paarungszeit im April und Mai kann man ein lautes Schnaufen oder Fauchen hören, wenn die Männchen grosse Distanzen zurücklegen, um ihre Herzensdame zu finden. Haben sie diese aufgespürt, umkreisen sie sie stundenlang. Das nennt man «Igelkarussell» und sieht recht lustig aus. Ein weiterer Fun-Fact: Damit die Weibchen die Männchen beim Paarungsakt nicht verletzen, drücken sie dabei ihre Stacheln ganz eng an den Körper an. Nett, oder? Aber zurück zu den Geräuschen. Wir schmatzen auch gerne laut, wenn wir eine Leckerei essen. Und manchmal knacken wir hörbar Schneckenhäuser und Insektenpanzer. Vornehm ist das zwar nicht – aber so schmeckt es am besten.
Und wo ziehst du deine Kinder auf, wenn das Date erfolgreich war?
Meine vier bis fünf Babys muss ich gut verstecken, da ihre Stacheln bei der Geburt noch weich und sie dadurch eine leichte Beute sind. Am besten finde ich solche Nester in Laub- und Asthaufen, in dichten Hecken oder auch in Höhlen oder Erdbauten. Deshalb lebe ich bevorzugt an Waldrändern, da es dort die besten Unterschlupfmöglichkeiten gibt. Ein warmes Bett ist mir vor allem in den kalten Monaten wichtig, weil ich dann Winterschlaf halte und dabei so wenig wie möglich Energie verbrauchen sollte.
Was würdest du dir von den Menschen wünschen?
Da wir auch gern durch Gärten wandern, freut es uns immer, wenn wir dort Äste, Steinhaufen oder liegengelassenes Laub zum Verstecken vorfinden. Auch etwas Wasser im Sommer und Nahrung in der kalten Jahreszeit macht uns glücklich – denn dann müssen wir genügend Fettpolster anfressen, um den Winter zu überstehen. Am besten Igelnahrung oder Katzenfutter. Keine Milch, davon bekommen wir Bauchweh. Mindestens 500 Gramm müssen Jungigel im Herbst auf die Waage bringen. Bei älteren Tieren sind es 800 bis 1000 Gramm. Leider erreichen gerade Jungtiere die Gewichtsgrenze oft nicht, weshalb viele von ihnen im ersten Lebensjahr sterben. Ansonsten würden wir uns von den Menschen wünschen, dass sie die für uns lebensgefährlichen Mähroboter nur vorsichtig einsetzen und in der Dämmerung noch achtsamer unterwegs sind. Schön wäre es, wenn die Autos anhalten, damit wir sicher die Strasse überqueren können oder die Menschen uns sogar über die Strasse tragen. Aber Vorsicht, schützt eure Hände. Es sticht sonst ein wenig. 😊
Auftaktbild: Walser Grafik / Fotos: Pixabay