
Hat der Wald Ruhe, frohlocken die Käfer
3,59 Hektar Wald zwischen der Deponie Ställa/Forst und der Hilti AG will die Gemeinde Schaan als Waldreservat ausscheiden. Das Areal wird in der Folge nicht für die Holzgewinnung genutzt. Damit verfolgen Gemeinde und Forstwerkhof eine Reihe von ökologischen Zielen.
Waldreservate sind Refugien für den Erhalt und die Entwicklung der Biodiversität. Sie sichern den Lebensraum für all jene Tiere und Pflanzen, die auf die verschiedenen Entwicklungsphasen des Waldes angewiesen sind. Dazu gehören beispielsweise Holzkäfer, deren Larven sich in absterbenden oder toten Bäumen entwickeln. Diese finden im künftigen Schaaner Waldreservat im Gebiet Forst bereits heute gute Lebensbedingungen vor, da die Fläche seit Jahrzehnten nicht mehr für den Holzschlag genutzt worden ist. Entsprechend hat die Gemeinde im vergangenen Jahr Vorabklärungen zur Beschaffenheit des Areals und zur Vielfalt seiner tierischen Bewohner durchgeführt. Den entsprechenden Auftrag in Bezug auf die Käferpopulation hat Forstingenieurin Barbara Huber erhalten, die Erfahrung mit ähnlichen Erhebungen in Waldgebieten der Kantone St. Gallen und Graubünden vorweisen kann.
378 Käferarten, darunter acht Urwaldrelikte
Barbara Huber hat im vergangenen Frühling zehn Käferfallen bei stehendem und liegendem Totholz sowie in Baumkronen platziert und diese regelmässig geleert. Die abschliessende Auswertung hat 378 Käferarten, darunter 216 Holzkäferarten ergeben. «Wir konnten beispielsweise den Rindenschröter nachweisen, der in der Schweiz als stark gefährdet gilt und in Deutschland vom Aussterben bedroht ist. Er ist für seine Larven auf grossdimensioniertes Totholz angewiesen. Gefunden haben wir ihn bei einem Dürrständer mit vielen Zunderschwämmen, einem seltenen Holzpilz, der an alten Buchen wächst.»
Auch der Schaufelplattkäfer lebt im künftigen Waldreservat. Genau wie sechs weitere sogenannte Urwaldrelikte – Käferarten, die in Waldbeständen vorkommen, die während sehr langer Zeit vom Menschen weitgehend in Ruhe gelassen worden sind. «So nahe am Siedlungsgebiet und einem früher bewirtschafteten Wald hätte ich keine so hohe Anzahl Käferarten und vor allem nicht so viele seltene Arten erwartet», sagt Barbara Huber. Erfreulich sind dabei nicht nur die Quantität und das Vorkommen der bedrohten Arten, sondern auch die 14 Käferarten, die sich wiederum von Borkenkäfern ernähren. Sie haben einen wesentlichen Anteil an der natürlichen Regulation des Borkenkäfers und seiner Brut. Eine Vermehrung von Borkenkäfern können sie zwar nicht verhindern, sie sorgen aber dafür, dass dieser sich nicht zu stark ausbreitet und den Baumbestand gefährdet.
Die Anzahl an Käferarten auf dem Gemeindegebiet schätzt die Expertin aus zwei Gründen noch höher ein als das Ergebnis der Erhebung im Frühling und Sommer 2024 zeigt. «Käfer durchlaufen ein langes Larvenstadium. Das Leben als Käfer ist hingegen kurz und dient lediglich der Reproduktion. Daher lassen sich in einer Saison mit zehn Fallen auf rund 3,5 Hektar nicht alle vorhandenen Arten nachweisen. Ausserdem legen die steilen, wenig oder gar nicht bewirtschafteten Flächen in den höheren Lagen des Schaaner Walds den Schluss nahe, dass auf dem Gemeindegebiet noch weitere seltene Arten existieren.»
Diese Areale sind nicht so weit vom Forst entfernt, als dass die Käfer nicht auch dort einfliegen könnten. Ausserdem befindet sich das künftige Reservat mit seinen 100 bis 130 Jahre alten Buchenbeständen am Anfang der Klimaxphase, der fünften der sieben Entwicklungsphasen des Naturwaldes. Auf diese Klimaxphase folgt die Zerfallsphase, was mehr Licht und Wärme auf den Boden dringen lässt, wovon wiederum andere, wärmeliebende Käferarten profitieren. Der Waldbestand selbst tritt anschliessend wieder in die Verjüngungsphase und erneuert sich im Natur- bzw. Urwald ohne menschliches Zutun
Förderung von Biodiversität und Waldverständnis
Der Projektbericht von Barbara Huber ist so ausgelegt, dass in zehn Jahren – oder einem längeren Intervall – wieder ein Monitoring durchgeführt werden kann, das einen Vergleich erlaubt und damit Rückschlüsse, wie sich die Ausgestaltung als Reservat auf die Biodiversität ausgewirkt hat. Neben der Förderung der Biodiversität und dem Schutz seltener Pflanzen- und Tierarten erreicht die Gemeinde mit der Ausscheidung als Waldreservat aber noch weitere Ziele. Eines ist ein Beitrag zur Umsetzung des Biodiversitätsplans 2030+ der Regierung, der die Ausweitung der Waldreservate und Sonderflächen von landesweit derzeit 24 Prozent auf 30 Prozent vorsieht. «Ausserdem schaffen wir ein Anschauungsbeispiel für die natürliche Walddynamik, das wissenschaftliche Forschungen zu dieser Thematik erleichtert und wir ermöglichen der Bevölkerung sowie den Schulkindern ein naturnahes Walderlebnis, womit wir das öffentliche Verständnis für den Wald und seine Bedürfnisse fördern», sagt Gemeindeförster Gerhard Konrad.
Auch der Gemeinderat befürwortet den Schutz des besagten Waldabschnitts zur Förderung der Biodiversität und hat bei der Regierung die Ausscheidung des Gebiets im Undera Forst als Waldreservat beantragt. Wird der Antrag genehmigt, wird sich die Arbeit der Fortwarte im Reservat künftig darauf beschränken, die Waldstrassen zu erhalten und instabile Bäume zu entfernen, die Passanten gefährlich werden könnten.
Bild: Der Gemeinderat machte sich Ende Februar vor Ort ein Bild vom angedachten Waldreservat.