Schaaner Dorfbrände: 129 Ruinen in 25 Jahren
Rüfe, Rhein und Föhn gelten als die drei historischen Landesnöte. Beim Föhn spielt dabei in allererster Linie die damit einhergehende Feuergefahr eine entscheidende Rolle. Auch Schaan wurde in seiner Geschichte schon einige Male von Grossbränden heimgesucht. Die Einwohner organisierten sich daher – mit Erfolg.
Die ältesten überlieferten Grossbrände in Liechtenstein hatten ihre Ursache in kriegerischen Auseinandersetzungen. Im Alten Zürichkrieg steckten die Eidgenossen Balzers (1445) und Triesen (1446) in Brand, im Schwabenkrieg 1499 erneut Balzers und Triesen sowie Bendern.
Ein erster bekannter Grossbrand in Schaan wurde 1577 wahrscheinlich durch Brandstiftung verursacht. Damals brannten 33 Häuser samt etlichen Ställen sowie die damalige Pfarrkirche ab, wobei von der Kirche nur der Turm, die Turmuhr und die Glocken gerettet werden konnten. Die grösste Gefahr ging in früheren Zeiten und bis weit in die Neuzeit jedoch vom Föhn aus, der kleine Feuer rasch zu grossen Bränden aufflammen liess, welche ganze Dorfteile zerstören konnten. Im 18. Jahrhundert entstand daher eine Reihe von feuerpolizeilichen Präventionsvorschriften. Dazu gehörten beispielsweise das Verbot von Kaminen aus Holz und die Anweisung an die Gemeinden, genügend Brunnen zur Verfügung zu stellen sowie Löschutensilien bereitzuhalten.
Gemeinde schafft Feuerspritzen an
Die damaligen Einwohner des Landes kamen jedoch auch zur Einsicht, dass eine gut organisierte Feuerbekämpfung notwendig ist, sobald die Präventionsmassnahmen versagen. In Schaan geht die Geschichte der systematischen Feuerbekämpfung bis ins Jahr 1812 zurück. Damals erliess die Gemeinde eine erste Feuerlöschordnung und setzte einen Nachtwächter ein, der darauf zu achten hatte, dass die Feuer in den Häusern abends gelöscht sind. Die Anschaffung einer Handfeuerspritze 1829 und einer Pferdefeuerspritze 1870 sowie der Erlass der landesweiten Feuerpolizeilichen Vorschriften bzw. des Feuerpolizeigesetzes in den Jahren 1837 und 1865 waren bedeutende Massnahmen im Bestreben, Brandausbrüche zu verhindern oder bereits ausgebrochene Brände im Keim zu ersticken.
Spielende Kinder verursachen Obergassbrand
Trotz aller Vorsichts- und Feuerbekämpfungsmassnahmen kam es aber auch im Schaan des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu verheerenden Bränden ganzer Quartiere. Am Abend des 21. September 1849 traf es die Obergass. 34 Häuser, 14 Ställe und die Kirche St. Peter fielen den Flammen zum Opfer. Eine Woche später berichtete sogar die «Vorarlberger Zeitung» über das Ereignis und hielt fest, dass «das ansehnliche Dorf Schaan von einem grossen Brandunglücke heimgesucht» worden war. Hervorgerufen hätten den Brand «Kinder, die mit dem schrecklichen Elemente spielten». Hart getroffen worden sei vor allem «die unbemitteltste Klasse», weshalb die Zeitung zur Spende von Liebesgaben aufrief. Schliesslich treffe es das kleine Liechtenstein besonders schwer. Staats- und Gemeindefonds zum Auffangen des Leids gebe es keine, «die Zahl der Wohlhabenden ist äusserst gering, Reiche trifft man gar keine».
Wenig ist bekannt über die Löscharbeiten während und in der Folge des Obergassbrands. Die «Vorarlberger Zeitung» berichtet aber nicht ohne Stolz, dass die «herbeigeeilte Mannschaft mit Löschgeräten der k.k. Stadt Feldkirch unter trefflicher Leitung» bewiesen habe, dass man ihr die «baldige Bemeisterung» der Flammen zu verdanken habe. Ein gutes Jahrzehnt später brannte es aber erneut im grossen Stil. 1860 zerstörte ein Feuer im Ortsteil Winkel 14 Häuser und 14 Ställe.
Am Fasnachtssonntag brennt die Specki
Weitere 14 Jahre danach, in der Nacht des Fasnachtssonntags 1874, brannte es dann In der Specki. Fünf Tage später, am 20. Februar, schrieb die «Liechtensteinische Wochenzeitung» über die Katastrophe. Die Nacht, die sonst alljährlich «den harmlosen Freuden des Faschings gewidmet ist», sei für Schaan zur «Schreckensnacht» geworden. «Zwei entfesselte Elemente: Feuer und Föhn haben mit vereinter Kraft alles zerstört, was viele Menschen mit mühsamer Hand in vielen Jahren geschaffen.» Der Schreckensruf «Feuer» habe das Dorf gegen 22 Uhr durcheilt. Gerade in der Specki hätten Häuser und Ställe damals sehr nahe beieinandergestanden. Seinen Ursprung habe das Feuer in einer Scheune gehabt, in der naturgemäss viel brennbares Material lagerte. Innerhalb einer Viertelstunde standen bereits 20 Gebäude in Flammen. Am Ende brannten 27 Häuser und 25 Ställe nieder.
Beim Löschen kam den Schaaner Männern um 23 Uhr als erste die Buchser Feuerwehr zu Hilfe, welche jedoch zunächst das hölzerne Grenztor auf der Rheinbrücke aufbrechen musste, um ins Nachbarland zu eilen. Bald darauf folgten Mannschaften aus dem gesamten Oberland sowie aus Gamprin, Ruggell, Sevelen, Räfis, Gams und Grabs. Die Hilfe aus Eschen, Mauren und Feldkirch erreichte das 1872 ans Schienennetz angeschlossene Schaan schliesslich mit Extrazügen der Vorarlbergbahn. Löschen konnten sie angesichts der Witterungsumstände zwar wenig, aber immerhin den Brand mit vereinten Kräften eindämmen und ein Übergreifen des Feuers auf weitere Gebäude verhindern.
Aus den Katastrophen gelernt
1849 und 1860, nach den Bränden in der Obergass und im Winkel, standen die Geschädigten oft vor dem Nichts. Kaum jemand war in Schaan versichert. Das änderte sich in der Folge und sollte sich beim Speckibrand als Segen erweisen. Angepasst wurden auch die Brandschutzmassnahmen im Baugesetz. Allerdings zeigten sie in den alten Häusern der Specki noch keine Wirkung. Nach 1874 setzte sich, staatlich gesteuert, eine weniger verdichtete Bauweise mit grösseren Abständen durch, um ein Übergreifen von Flammen zu erschweren.
Viele Bewohner der Specki hatten in der Schreckensnacht des Fasnachtssonntags auf den Fasnachtsmontag 1874 aber nur ihr nacktes Leben retten können. Gegen hundert Personen waren durch das Brandunglück obdachlos geworden. Der Gesamtschaden wurde vom sogleich gegründeten Hilfskomitee mit 200'000 Schweizer Franken angegeben, obwohl der österreichische Gulden damals noch offizielle Währung in Liechtenstein war und die meisten Hausbesitzer bei Anstalten in der k.u.k.-Monarchie versichert waren. Bereits im März 1874 bedankten sich die Brandgeschädigten in der «Liechtensteiner Wochenzeitung» bei ihren Versicherungen. In Inseraten lobten sie die kulante und rasche Auszahlung der Schadenssummen.
Von der Pflichtfeuerwehr zur Freiwilligen Feuerwehr
Bei den Bränden in Obergass, Winkel und Specki sind in Schaan innerhalb eines Vierteljahrhunderts 75 Wohnhäuser, 53 Stallgebäude und eine Kirche abgebrannt. Dies mag einen Einfluss auf die landesweite Entwicklung der Gesetzgebung gehabt haben. Im Feuerpolizeigesetz von 1865 heisst es: «Sämtliche einer Ortsgemeinde angehörigen männlichen Personen von 16 bis 60 sind feuerdienstpflichtig.» Nichterscheinen der Pflichtfeuerwehrmänner bei Übungen, Hauptproben und Bränden wurde mit Bussen geahndet.
Einen Einfluss hatten die drei grossen Dorfbrände aber mit Sicherheit auf Schaan selbst, wo sich eine Reihe von Männern 1879 zur Freiwilligen Feuerwehr zusammenschloss und ihr Handwerk kontinuierlich professionalisierte. Brände konnten damit zwar nicht verhindert, aber deutlich effektiver bekämpft werden. Sie wurden zu einzelnen, begrenzteren Ereignissen, und das System der Freiwilligen Feuerwehr bewährte sich immer mehr. Ein einziger Grossbrand in der Nacht vom 3. auf den 4. März 1908 forderte nochmals acht Häuser und sieben Ställe – wiederum in der Obergass. In den folgenden fast 115 Jahren kam es aber vor allem zu Stall- und Firmenbränden, wie in der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1938, als die Buchdruckerei von Lorenz Hilty, die Stickerei von Josef Frommelt und die Ställe von Edmund Risch sowie Stefan Kaufmann ein Raub der Flammen wurden. Wohngebäude waren nur noch selten von Brandereignissen betroffen, ganze Quartiere überhaupt nicht mehr.
Zu einem tragischen Unglück kam es jedoch am 4. Dezember 1973 bei einer Explosion an der Landstrasse. Ein Arbeitsunfall hatte eine Explosion ausgelöst, die drei Personen schwer verletzte, von denen eine wenige Wochen später verstarb. Der letzte grössere Brand in Schaan ereignete sich dann im Jahr 2000, als am Funkensonntag das Geschäftsgebäude des «Buurabunds» in Flammen aufging. Die Feuerwehr ist aber bekanntlich seit vielen Jahrzehnten nicht nur für die Bekämpfung von Flammen zuständig, sondern rettet, schützt und birgt auch bei Naturereignissen, Autounfällen oder Chemieunglücken. Getreu ihrem Motto «Gott zur Ehr’, dem nächsten zur Wehr.»
Auftaktfoto: Gasexplosion an der Landstrasse im Jahr 1973 (Gemeindearchiv Schaan/Karl Steiger)