«Ein Gemeindesekretär braucht eine dicke Haut»
In seinen rund 25 Jahren in dieser Funktion hat Gemeindesekretär Uwe Richter hautnah miterlebt, wie sich Schaan im vergangenen Vierteljahrhundert entwickelt hat. Er ist rechte Hand des Vorstehers, Personalverantwortlicher, IT-Spezialist und «Mädchen» für alles. Im Interview erzählt er über sein breites Aufgabenfeld, was ihn an seinem Job nach wie vor reizt und wo er neue Energie tankt.
1. Bald feierst du dein 25-Jahr-Jubiläum als Gemeindesekretär von Schaan. Erinnerst du dich noch, was dich damals bewogen hat, dich für diese Stelle zu bewerben?
Genau genommen bin ich seit 24 Jahren, 6 Monaten und 25 Tagen Gemeindesekretär. (lacht) Ich weiss das so genau, weil ich einen Monat nach der Geburt unseres Sohnes die Stelle angetreten habe. Das war eine aufregende Zeit. Ich hatte damals das dringende Bedürfnis nach einer Veränderung. Meine Berufserfahrung beschränkte sich bis dahin praktisch auf das Bankenumfeld. Nach der Matura machte ich dort Praktika sowie Ferienjobs, und nach rund fünf Jahren Festanstellung war es einfach Zeit. Das Inserat, in dem nach einem Gemeindesekretär für Schaan gesucht wurde, sprang mir gleich ins Auge. In der Stellenbeschreibung stand, dass die Personalleitung zu den Schwerpunkten gehört. Das reizte mich, denn ich war schon bei der Bank für die Lernenden in unserem Bereich zuständig – eine Aufgabe, die ich immer gerne erfüllt habe. Also habe ich den damaligen Gemeindesekretär um ein Gespräch gebeten, um mir ein Bild von dem Job machen zu können. Danach sagte ich ihm, dass ich es mir überlege und ihm noch Bescheid geben werde, ob er meine Bewerbungsunterlagen – die ich verschlossen in einem Kuvert dabeihatte – öffnen könne. Dieses Okay hat er schliesslich am letzten Tag der Bewerbungsfrist erhalten. Später gab es natürlich ein offizielles Bewerbungsgespräch, das ich noch als sehr interessant im Kopf habe. Als dann aber an einem Mittwochabend das Telefon klingelte und mir der damalige Vorsteher Hansjakob Falk mitteilte, dass ich den Job habe, war ich doch überrascht. Irgendwie hatte ich nicht mehr mit einem positiven Entscheid gerechnet und meine Bewerbung fast schon vergessen.
2. Was macht ein Gemeindesekretär eigentlich den ganzen Tag? Behält die Arbeit nach so vielen Jahren ihren Reiz?
Die Aufgaben sind enorm vielfältig, und es kommt immer wieder Neues dazu – das ist es auch, was meinen Beruf so spannend macht. Unter anderem schreibe ich Anträge für den Gemeinderat und unterstütze den Vorsteher bei seinen Anliegen und seiner Korrespondenz. Ich bin sowas wie seine rechte Hand, wenn es um die Umsetzung von Projekten geht. Dann organisiere ich Anlässe wie die Schaaner Jungbürgerfeier oder die externen Termine des Gemeinderats. Auch der gesamte IT-Bereich ist mir unterstellt und seit 2011 zusätzlich der Datenschutz. Des Weiteren gehören die Organisation und Abwicklung der Wahlen und Abstimmungen zu meinen Aufgaben. Und wie bereits erwähnt, liegen die Personalangelegenheiten bei mir. Grundsätzlich zeigt sich auch in meiner Arbeit, dass Schaan eine Vorreitergemeinde ist: Das urban-vorstädtische Umfeld bietet immer Möglichkeiten, etwas zu bewegen. Wäre es anders, hätte die Stelle für mich längst den Reiz verloren, denn verwalten allein liegt mir nicht. So habe ich beispielsweise im Jahr 2000 das Dienstreglement aufgesetzt, das im Anschluss praktisch alle Liechtensteiner Gemeinden übernommen haben. Auch war Schaan die erste Gemeinde des Landes, die einen Internetauftritt hatte. Ebenso übernahm ich beim Datenschutz die Leitung bei der Entwicklung entsprechender Richtlinien für alle Gemeinden. Die nächste grosse Herausforderung wird die Umsetzung des e-Governments in den Gemeindeverwaltungen sein. Ein Thema, das enorm komplex, aber auch sehr spannend ist.
3. Wo müssen die Stärken eines Gemeindesekretärs liegen?
Er braucht vor allem eine dicke Haut, denn es prasselt viel auf ihn ein. Das ist auch bei der Führung des Personals von Vorteil. Denn bei allen positiven Dingen, welche diese Aufgabe mit sich bringt, gibt es doch immer wieder auch schwierige Momente. Kritik zu äussern oder im äussersten Fall sogar jemandem kündigen zu müssen, ist in unserer Du-Kultur gar nicht so einfach. Man kennt sich – oft seit vielen Jahren. Das macht es schwieriger, die professionelle Distanz zu wahren. Ich bemühe mich aber sehr darum. Diesbezüglich empfinde ich es als Vorteil, dass ich zwar in Schaan aufgewachsen bin, aber in Gamprin wohne. Die räumliche Entfernung bringt auf natürliche Weise eine Distanz ins Spiel. Eine weitere wichtige Eigenschaft, die ein Gemeindesekretär haben muss, ist Verschwiegenheit. Er muss den Mund halten können, denn bei ihm laufen doch viele Fäden beziehungsweise Informationen zusammen. Und nicht zuletzt ist es hilfreich, wenn er vielseitig interessiert ist, denn das Verwaltungsumfeld umfasst eine grosse Bandbreite an Tätigkeiten und Themenfeldern.
4. Wenn du zwei Ereignisse deiner Laufbahn herauspicken müsstest: Was war dein schönstes und was dein herausforderndstes Erlebnis bei der Gemeindeverwaltung?
Ein einzelnes Ereignis zu nennen, fällt mir schwer. Aber zu den persönlich schönsten Momenten gehört für mich immer, wenn langjährige Mitarbeitende in die Pension gehen und am Ende sagen: «Schön war es bei der Gemeinde Schaan!» Im Gegenzug habe ich als schwierigste Zeit meine Anfangsphase in Erinnerung. Mein Vorgänger war damals schon weg und konnte mich nicht einarbeiten – und ich hatte von nichts eine Ahnung. Ich weiss noch, wie ich mir ein Buch gekauft habe, in dem die Aufgaben von Land und Gemeinden erklärt waren. Es schien mir eine Herkulesaufgabe, alle Bereiche der Gemeindeverwaltung kennenzulernen. Zwar erhielt ich Unterstützung von den Mitarbeitenden, aber im Grossen und Ganzen konnte ich meinen Job über die Jahre selbst definieren. Was damals schwierig war, hat sich im Nachhinein als grosses Glück herausgestellt. Mit Weiterbildungen im Personalbereich und Projektmanagement bin ich schliesslich in meine Funktion hineingewachsen.
5. Auch wenn du bei wichtigen Angelegenheiten praktisch rund um die Uhr erreichbar bist, muss auch ein Gemeindesekretär mal abschalten. Wo erholt sich ein Uwe Richter?
Meine Frau und ich gehen fast täglich ein bis zwei Stunden laufen. Dabei kann ich am besten abschalten. Dann lieben wir es, zu reisen, neue Länder, Landschaften und exotisches Essen kennenzulernen. Beispielsweise bereisten wir schon Südafrika, Kanada, Vietnam, Irland und Norwegen. Und unsere To-do-Liste ist noch lang. Für die Zeit zu Hause habe ich neu die Gartenarbeit für mich entdeckt. Zudem lese ich sehr gerne – vor allem über Computer, Technik und Naturwissenschaften. Das alles hat mich schon immer interessiert. Fünf Jahre habe ich ausserdem Saxophon-Unterricht genommen, und gerade kürzlich habe ich mir eine Gitarre gekauft. Aber dieses Projekt muss erst noch in Angriff genommen werden. Und nicht zuletzt betreibe ich seit vielen Jahren eine Hobbybrauerei bei mir im Keller. Den Hopfen dafür pflanze ich selbst an. Im Schnitt braue ich zwei Kisten Bier pro Jahr. Allerdings wird es ausschliesslich von meiner Frau, meinem Sohn und mir getrunken – da wird nichts verschenkt. Dafür schmeckt es zu gut. (lacht)
Foto: Brigitt Risch