«Die nicht schreiben konnten, machten ihr Zeichen»
Eigentum will gekennzeichnet sein. Das war in der frühen Neuzeit nicht anders, als es heute der Fall ist. Doch die Herausforderungen waren ganz andere. Wasserfeste Stifte oder Etikettiergeräte existierten noch längst nicht – und auch das Material war nicht so geduldig wie ein T-Shirt-Label.
Doch der Erfindungsreichtum der damaligen Schaaner fand dafür eine einfache Lösung: die Hauszeichen. 22 Stück sind überliefert. Damit konnte jede grössere Schaaner Familie ihr Eigentum unverwechselbar markieren. Die Zeichen waren so konzipiert, dass sie mit einem Messer, einer Axt oder einer Schere eingekerbt oder eingeschnitten werden konnten, ohne dass dafür Rundungen notwendig waren. Die Hauszeichen vererbten sich vom Vater auf den Sohn, manchmal wurden sie von einer Generation zur nächsten bzw. unter Brüdern auch variiert.
Auch für Analphabeten hilfreich
Überliefert sind die Schaaner Hauszeichen, wie auch jene anderer Gemeinden, oft auf Heinzen, Holzgestellen zur Heutrocknung, wie das Historische Lexikon des Fürstentums Liechtenstein berichtet. Auch Viehschellen und Schellriemen wurden oft gezeichnet, genauso das Vieh selbst. Allerdings nicht wie im Western-Film mit einem Brandzeichen, sondern indem das Hauszeichen aus den Haaren des Fells geschnitten wurde. «Dem Kleinvieh hängte man Holztäfelchen mit dem Hauszeichen um den Hals. Schafe, Ziegen und Schweine bekamen ein Ohrzeichen durch Variationen von Schnitten, Kerben und Löchern. Geschlagenes Holz – wie beispielsweise die Holzlose – liess sich durch die einfachen Formen der Hauszeichen leicht mit der Axt kennzeichnen. Sie wurden auch als Grenzzeichen auf Markpfosten benutzt», heisst es im Historischen Lexikon.
Eine Lösung waren die Zeichen ausserdem für Analphabeten, die Dokumente unterzeichnen mussten. «Die nicht schreiben konnten, haben hier ihr Hauszeichen gemacht», stand gemäss dem Buch «Stammtafeln der Bürgerfamilien von Schaan» immer wieder unter Texten.
Vor dem Vergessen bewahrt
Mit zunehmendem Fortschritt und zunehmender Bildung der Bevölkerung verloren die Hauszeichen zwar immer mehr an Bedeutung. Dass sie aber auch im 20. Jahrhundert noch nicht in Vergessenheit geraten waren, zeigt der bis heute gültige Artikel 39 des Personen- und Gesellschaftsrechts aus dem Jahr 1926. In Absatz 1 heisst es dort: «Wer in seinen persönlichen Verhältnissen (Persönlichkeitsgütern) unbefugterweise verletzt oder bedroht wird, wie beispielsweise in Hauszeichen […], kann Feststellung der Verhältnisse, Beseitigung (Ablassung) der Störung, Wiederherstellung des früheren Zustandes durch Widerruf und dergleichen und Unterlassung fernerer Störung verlangen.»
So schlägt das Personen- und Gesellschaftsrechts den Bogen zwischen Liechtensteins heutigem Wohlstand und den frühen Eigentumsrechten einer armen, bäuerlich geprägten Gesellschaft.
Bild: Schaaner Hauszeichen auf Buchcover "Stammtafeln der Bürgerfamilien von Schaan"