
Der Steinkreis vom Fanolabödile – Astronomie in der Bronzezeit
Hinkelsteine oder Menhire kennt der geneigte Comicleser vor allem aus Asterix und Obelix. Druiden und andere Gelehrte beschäftigten sich aber bereits lange vor der Zeitenwende nicht mit Zaubertränken, sondern vor allem mit Himmelskörpern. Dazu ordneten sie grössere und kleinere Menhire und andere Steine auf Kultplätzen an. Ein solcher befand sich auch oberhalb von Schaan.
Der Ortsame Fanola bezieht sich auf einen steilen, bewaldeten Geländerücken östlich oberhalb des Schaaner Forstwerkhofs, westlich unterhalb von Efiplanka. Gemäss dem Liechtensteiner Namenbuch bedeutet Fanola wohl so viel wie «kleines Tal», wohingegen das Fanolabödile eine kleine Terrasse in diesem Tälchen ist – mit guter Aussicht nach Nordwesten und steil abfallenden Hängen am Rand des Bödiles. Auf diesem Plateau befand sich, so viel ist einigen Zeitgenossen bekannt, der vom Rheingletscher abgelagerte Findling, der heute an der Zollstrasse als Rheindenkmal dient. Nur wenige wissen aber noch, dass sich um diesen Findling kleinere Steine in einem Rund befunden haben. Sie waren so angeordnet, dass bereits der Liechtensteiner Pfarrer, Landtagsabgeordnete und Historiker Johann Baptist Büchel Ende des zweiten Jahrzehnts des 20. Jahrhrunderts angenommen hat, es könnte sich um eine megalithische Kultstätte gehandelt haben.
Die Kultur der grossen Steine
Die Megalithik ist ein Sammelbegriff, der nicht ganz einfach zu fassen und in der Forschung nach wie vor Gegenstand von Diskussionen ist. Ob es eine einheitliche Megalithkultur gegeben hat, ist unklar. Der einende Faktor sind die Megalithen selbst, also wörtlich übersetzt aus dem Griechischen die grossen Steine, die in angeordneter Weise in vielen Gegenden Westeuropa gefunden wurden. Sie sind nach Himmelsrichtungen und den Himmelskörpern bzw. ihren Bewegungen ausgerichtet und belegen, dass in der mittleren sowie späten Bronzezeit bis etwa ins Jahr 800 vor Christus ein astronomisches Wissen weit verbreitet war, dass später grösstenteils wieder verloren ging.
Die Tränen des Heiligen Laurentius
Im Mittelalter war dieses astronomische Wissen – zumindest unter Gelehrten – schon wieder recht beachtlich, wenn auch in Europa noch lange die Vorstellung vom geozentrischen Weltbild mit der Erde als Mittelpunkt des Universums vorherrschte. Auch im alten China und in der islamischen Welt wurde ein geozentrisches Weltbild gelehrt. Ab dem 16. Jahrhundert erst setzte sich das heliozentrische Weltbild mit der Sonne als Mittelpunkt langsam durch.
Bei der breiten Bevölkerung war das astronomische Wissen jedoch sehr bescheiden. Die Religion in ihrem Jahresrhythmus und das Verhältnis zur Natur, besonders die Beobachtung der Sonne und die des Mondes, waren für die Bauern wichtig. Aussergewöhnliche Himmelserscheinungen wie Kometen wurden als Unglücksbringer gedeutet. Sternschnuppen wurden bisweilen als Tränen von Heiligen angesehen. Dazu gehören die Perseiden oder Laurentiustränen, wie sie im Volksmund genannt werden, da sie jährlich um den Gedenktag des Schaaner Kirchenpatrons am 10. August herum auftreten.
Ideale Lage für den Blick in die Sterne
Eine bekannte, gut untersuchte und nachweislich megalithische Kultstätte in der Region befindet sich im bündnerischen Falera. Sie ist mit ihren gut 400 Metern Länge und 36 Menhiren die grösste Anlage ihrer Art in der Schweiz. Neben mehreren astronomisch ausgerichteten Steinreihen sind auch Schalensteine mit Vertiefungen vorhanden. Solche Ausmasse hatte der Kultplatz auf dem Fanolabödile natürlich nicht, dennoch hat sich der Astronomische Arbeitskreis im Fürstentum Liechtenstein, ein Verein mit Sitz in Schaan, der sich der Sternenkunde verschrieben hat, dem Fanolabödile angenommen. Die genaue Ausrichtung der Steine konnten die Mitglieder zwar nicht mehr untersuchen, da neben dem Findling auch die kleineren Exemplare entfernt worden sind. Drei von ihnen sind in die Aussenmauer der Schaaner Pfarrkirche eingearbeitet, andere wurden leider achtlos den Hang hinuntergerollt. Die Astronomen haben jedoch herausgefunden, dass das Plateau eine ideale Lage für frühe Beobachtungen der Gestirne aufweist und sich auf einer direkten Linie zum Benderer Kirchügel befindet, der in prähistorischer Zeit bereits besiedelt oder zumindest temporär bewohnt war. Somit hat auch Schaan einen kleinen Anteil am grossen Megalithikum.
Bildnachweis: Gemeindearchiv Schaan, Transport des Findlings vom Fanolabödile an die Zollstrasse 1933