Der alte Torkel erwacht zu neuem Leben
Im vergangenen Frühling und Sommer wurde der 400 Jahre alte Schaaner Torkel an der Obergass mit dem Ziel abgebaut, rund 20 Meter nordwestlich originalgetreu wieder aufgebaut zu werden. Zwar schlummerte die Baustelle über den Winter im Dornröschenschlaf, doch hinter den Kulissen wurde fleissig weitergearbeitet, um dem Torkel schon bald neues Leben einzuhauchen.
Während Jahrhunderten wurde in Schaan Wein gekeltert. Von den ehemals fünf Torkeln steht heute nur noch der 1616 erbaute alte Torkel an der Obergass. Das erhöht natürlich seinen kulturhistorischen Wert, und so war es dem Gemeinderat seit geraumer Zeit ein Herzensanliegen, dieses wertvolle Zeugnis der Schaaner Weinbautradition für die Nachwelt zu erhalten. 2018 konnte das Gebäude endlich unter Denkmalschutz gestellt werden, und mit der Versetzung um 22 Meter nordwestlich an seinen neuen Platz geht der Torkel gänzlich in Gemeindebesitz über. (Warum dies notwendig war und was es mit der Schaaner Winzertradition auf sich hat, lest ihr im Artikel: «Ein Torkel als Zeitzeuge der Schaaner Weingeschichte»)
Mit viel Sorgfalt und Fingerspitzengefühl
Die Versetzung eines denkmalgeschützten Gebäudes, das schon so viele Jahre auf dem Buckel beziehungsweise auf dem Dach hat, ist eine herausfordernde Arbeit, die von allen Beteiligten viel Fingerspitzengefühl erfordert. Bereits im Frühling 2022 erfassten Mitarbeitende des Amts für Kultur sorgfältig alle Bauteile, bevor diese Stück für Stück abgetragen wurden. (Hier geht’s zur Fotostrecke «Rückbau des 400 Jahre alten Schaaner Torkels») Anschliessend wurde die Steinmauer über die Sommermonate am neuen Standort wiederaufgebaut, wobei ein spezieller Kalkmörtel verwendet wurde – getreu der ursprünglichen Bauweise. Damit die Mauer über den Winter trocknen und so zur soliden Basis für den gesamten Holzaufbau werden konnte, wurde sie über die kalte Jahreszeit abgedeckt und in den Winterschlaf versetzt.
Während der Mörtel also sozusagen im Schlaf trocknete, ging andernorts die Arbeit erst richtig los. Eine Holzbaufirma nutzte die Zeit, um alle nummerierten Elemente der Konstruktion und des Torkel-Innenlebens auf ihre Wiederverwendbarkeit zu prüfen. Was in gutem beziehungsweise erhaltenswertem Zustand war, wurde aufbereitet. Was vermodert und brüchig war, wurde ersetzt. Dabei wurde das Baumaterial mit viel Bedacht und in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Kultur ausgewählt und dafür gesorgt, dass das zusätzlich benötigte Holz für die Verkleidung aus Liechtenstein stammt. Schliesslich sollte der Torkel am Ende wieder genau so sein, wie er einmal war.
Baumpresse bald wieder funktionstüchtig
In dem Zustand, in dem sich der Schaaner Torkel in den vergangenen Jahrzehnten an der Obergass präsentiert hat, war er schon lange nicht mehr funktionsfähig. Der Hauptgrund: der fehlende Torkelbaum. Dabei handelt es sich um eine traditionelle Baumpresse, die aus einem Eichenstamm mit symmetrischer Astgabelung besteht. Der besagte Torkelbaum wurde in den 1940er-Jahren verkauft und daraufhin nie mehr ersetzt.
Da es sich die Gemeinde Schaan zum Ziel gesetzt hat, dass der alte Torkel nach seinem Neuaufbau wieder funktionstüchtig sein soll, begann die Suche nach einem geeigneten Baum. «Eine solche speziell gegabelte Eiche findet man nicht einfach so im Schaaner Wald», erklärt Mani Konrad von der Bauverwaltung. «Die Form ist sehr besonders, und der Stamm muss eine entsprechende Dicke aufweisen. Deshalb weiteten wir unser Suchgebiet in Zusammenarbeit mit einem Holzhandelsbetrieb aus und wurden schliesslich im Forstrevier Heilbronn in Deutschland fündig.» Die besagte Eiche ist neun Meter lang und hat einen Durchmesser von 85 Zentimetern – die perfekten Masse, um die alte Baumpresse originalgetreu zu ersetzen.
Die gefällte Eiche wird in den kommenden Tagen nach Schaan transportiert, wo sie im Forstwerkhof geschält und aufbereitet wird, bevor sie im Torkel ihren Bestimmungsort findet. «Die Gemeinde darf stolz auf dieses Kulturerbe sein», sagt Mani Konrad. «Es gibt nur noch wenige alte Torkel, die über eine funktionierende Baumpresse verfügen.»
Die nächsten Schritte stehen an
Anfang des Jahres wurde das Terrain am alten Standort wieder aufgeschüttet und mit den Umgebungsarbeiten am neuen Ort begonnen. Als nächster Schritt steht nun der Aufbau der Holzkonstruktion und das Anbringen der Wandverkleidung an. Bevor das Gebäude dann mit einem Dach geschlossen wird, erfolgt der Einbau des Torkelbaums, der mit einem Kran und viel Präzisionsarbeit von oben in das Gebäude gehoben wird. Ein spannender Vorgang, der auch fotografisch und filmisch begleitet wird. Als Abschluss folgt dann der Innenausbau gemäss dem Vorbild von anno dazumal, sodass die Versetzungs- und Sanierungsarbeiten des alten Torkels voraussichtlich noch vor den Sommerferien abgeschlossen sein werden. Für etwas zusätzlichen Komfort erhält das denkmalgeschützte Gebäude Strom und einen Wasseranschluss.
Neue Heimat für Weinbauverein
Die Schaaner Winzer äusserte schon früh den Wunsch, den Torkel künftig für Anlässe zu nutzen – ein Wunsch, der ihm erfüllt werden soll. Denn wie könnte Schaans Weintradition besser in Ehren gehalten werden, als mit der Wiederbelebung des alten Gebäudes. Ziel ist es, dass der Weinbauverein das diesjährige Weinfest am 19. August 2023 im Torkel an der Obergass durchführen kann.
Fotos: Eddy Risch / Bilder Torkelbaum: zvg