Ein Torkel als Zeitzeuge der Schaaner Weingeschichte
Schon bald wird der rund 400 Jahre alte Schaaner Torkel an der Obergass 62 bis auf die Grundmauern rückgebaut, um 22 Meter nordwestlich auf Gemeindeboden denkmalgerecht wieder aufgebaut zu werden. Ein Projekt im Namen des kulturellen Erbes von Schaan, das die lange Weintradition in Ehren hält.
Von den ehemals fünf Torkeln in Schaan, in denen der Wein während Jahrhunderten gekeltert wurde, steht heute nur noch der 1616 erbaute Alte Torkel, auch bekannt unter dem Namen Raimunds- oder Trubawörtstorkel – benannt nach seinem langjährigen Eigentümer Raimund Jehle. Funktionsfähig ist er zwar nicht mehr, da der Torkelbaum in den 1940er-Jahren verkauft wurde, aber Geschichten aus früheren Zeiten könnte das Gebäude an der Obergass trotzdem erzählen. So ragte der Torkel zu seinen Anfangsjahren oberhalb des Dorfteils St. Peter nicht wie heute in die Strasse hinein, sondern stand inmitten prächtiger ausgedehnter Rebflächen. Von dieser «Glanzzeit» ist heute jedoch nicht mehr viel zu sehen, da das Gebäude über die letzten Jahrzehnte sichtlich in Mitleidenschaft gezogen wurde.
«Torkel Schaan: on the move!»
Nur weil etwas alt ist, ist es aber nicht wertlos. In diesem Fall muss man sogar sagen: ganz im Gegenteil. Denn der kulturhistorische Wert des alten Torkels ist unbezahlbar. Weil es sich um ein wertvolles Zeugnis der Schaaner Dorfgeschichte handelt, war es der Gemeinde ein Anliegen, ihn für die Nachwelt zu erhalten. 2018 erfolgte die definitive Unterschutzstellung, in dessen Zuge Schaan zur Miteigentümerin des Torkels gemacht wurde, weil das Gebäude zu einem Drittel auf einer Gemeinde-Parzelle steht. Mit der Versetzung des Torkels rund 22 Meter an seinen neuen Platz, nordwestlich des heutigen Standorts, geht das denkmalgeschützte Gebäude nun gänzlich in Gemeindebesitz über. Eine durchaus spektakuläre Versetzung, die dem Europa-Tags des Denkmals 2021 im September sein Motto gab: «Torkel Schaan: on the move!».
Die notwendigen Restaurationsarbeiten, die im Frühling 2022 beginnen, sind aufwendig, da die wiederverwendbaren Bauteile sorgfältig erfasst und dann abgebaut werden müssen, um am neuen Ort wieder denkmalgerecht aufgebaut zu werden. Vermodertes oder brüchiges Material wird durch neuwertige Stücke ersetzt, wobei das Baumaterial mit grosser Sorgfalt und in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Kultur ausgewählt wurde. Alles soll so sein, wie es einmal war, und für die hoffentlich nächsten 400 Jahre als Zeitzeuge der Geschichte dienen.
Vom Durstlöscher zum Prestigegetränk und Exportschlager
Der Aufwand, der für den Erhalt des alten Torkels betrieben wird, lässt sich mit der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung des Weinbaus in der Geschichte von Land und Gemeinden erklären. Im Jahre 15 v. Chr. wurde das Gebiet des heutigen Liechtensteins nach dem Sieg der Römer über die Rätier der römischen Provinz Raetia einverleibt. Dass die Römer den Wein in dieses Gebiet brachten – wie die weit verbreitete Meinung lautet –, ist jedoch nur bedingt wahr. Kenner der Materie gehen davon aus, dass bereits vor den Römern Wein aus wildwachsenden Reben gekeltert worden ist und dass in Liechtenstein bereits seit deutlich über 2000 Jahren Wein angebaut wird. In Schaan reichten die Reben dabei bis in die frühe Neuzeit bis ins Gebiet der St. Peter-Kirche hinunter.
Dennoch ist es den Römern anzurechnen, dass sie den systematischen Weinbau in die Region brachten. Sie sahen sich damals gezwungen, aufgrund der klimatischen Verhältnisse auf ihre aus dem Süden stammenden Weine zu verzichten und die heimischen, wildwachsenden Sorten zu kultivieren. Später, Jahrhunderte nach den Römern, waren vor allem die Klöster und die weltliche Obrigkeit für die Erhaltung und Verbreitung des Weinbaus verantwortlich.
Zu den bereits früh angebauten Weinen gehört die weisse Sorte «Elbling», die bis in die 40er-Jahre des 20. Jahrhunderts in Liechtenstein kultiviert worden ist. Mitte des 17. Jahrhunderts kam ausserdem der Blauburgunder über die Bündner Herrschaft ins Land.
Zum Prestigegetränk entwickelte sich der Wein aber erst später. Diejenigen, die den Weinbau zusätzlich zur üblichen Landwirtschaft betrieben, tranken früher vielfach verdünnten Wein gegen den Durst. Rund die Hälfte des Weines wurde jedoch schon in diesen Zeiten in den benachbarten Kanton St. Gallen sowie ins Vorarlbergische ausgeführt, und der Wein war neben Vieh bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das wichtigste Liechtensteiner Exportprodukt.
Drittgrösstes Anbaugebiet
Nach dieser Hochblüte des Weins ging es mit der Quantität des Anbaus rasant zurück. Bereits mit dem Anschluss Liechtensteins an die Arlbergbahn im Jahr 1884 wurde die Konkurrenz durch ausländische Importweine zum Problem. Hinzu kam, dass durch die Ausdehnung des Wohngebiets die Rebflächen immer weiter zurückgedrängt wurden. Und nicht zuletzt setzten neue Rebkrankheiten und Missernten dem Weinbau zu, sodass dieser an der Wende zum 20. Jahrhundert einen Tiefpunkt erreichte.
1871 wurden in ganz Liechtenstein noch auf 320 Hektaren Reben kultiviert, 1906 nur noch auf 60 Hektaren, 1927 auf 26 Hektaren, 2010 dann auf 25 Hektaren – die gleiche Fläche wie heute. Auf Schaan entfallen dabei 2,8 Hektar. Damit ist Schaan die Gemeinde mit dem drittgrössten Anbaugebiet nach Vaduz und Eschen und knapp vor Triesen sowie Balzers. Aber der Rückgang der Weinreben ist auch in Schaan augenscheinlich. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts reichten die Reben noch bis zur Strasse Im Rossfeld oberhalb der Pfarrkirche. Bis in die 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts stand in der Gemeinde ein Trubahirt zum Schutz der Trauben im Einsatz. Als zu dieser Zeit neue Quartiere erschlossen wurden, schrumpfte das Weinbaugebiet weiter zusammen.
Winzer halten Tradition hoch
In Schaan wurde der Wein lange von den Winzern selbst vermarktet, wobei die Schaaner Weinbauern und -bäuerinnen in einem Verein zusammengeschlossen sind. Gemeinsam führen sich zum Beispiel Anlässe wie den Schaaner Weintag durch. Eine Tradition, die an die ehemalige Blütezeit des Weinanbaus in Liechtenstein erinnert und gemeinsam mit der Restaurierung des Alten Torkels die Gemeindegeschichte in Ehren hält.
Mit der Gründung des Weinbauverbands im November 2021 wurde ein weiterer Meilenstein gesetzt. Ziel ist es, Wissen auszutauschen, gemeinsam Werbung zu machen und den Anliegen der einheimischen Winzer eine Stimme zu geben. Neben der Hofkellerei Liechtenstein gehören dem Verband diverse Vereine, Genossenschaften und Weingüter aus den Gemeinden an – unter anderem auch der Weinbauverein Schaan. Mit so viel Engagement dürfen die Reben in Liechtenstein in eine hoffentlich blühende Zukunft blicken.
Bilnachweis: Eddy Risch