«Schön zu erleben, wie der Wald gemeinsam mit mir altert»
Ein Schaaner Forstwerkhof ohne ihn ist fast undenkbar. Seit einem Vierteljahrhundert setzt sich Urs Neukom unermüdlich für die Gesundheit und den Schutz des Waldes ein. Die Bäume sind dabei zu seinen Freunden geworden, die Arbeit zu seiner Berufung. Ein Interview mit einem echten Naturburschen.
1. Du hast gerade dein 25-Jahr-Jubiläum bei der Gemeinde Schaan gefeiert. Was reizt dich noch heute täglich an deiner Arbeit als Forstwart?
Mich reizt nach wie vor die Arbeit in der Natur – für den Wald, den wir Menschen brauchen und den wir entsprechend pflegen und schützen müssen. Ausserdem schätze ich die Abwechslung im Schaaner Forstwerkhof. Meine Aufgaben reichen vom Pflanzen über die Jungwuchspflege bis hin zum Holzen, Waldstrassenunterhalt und Bereitstellen von Brennholz. Hinzu kommen der Bereich Lehrlingsausbildung, die Einsätze im Dorfzentrum und die Mitorganisation von diversen Anlässen. Die Schwerpunkte variieren von Jahr zu Jahr. Seit der Energiekrise ist beispielsweise die Nachfrage nach Brennholz enorm gestiegen. Kurz auf den Punkt gebracht: Wenn ich heute nochmals einen Beruf erlernen könnte, dann würde ich wieder Forstwart werden. Und bis zu meiner Pensionierung habe ich auch noch einiges vor. Ein Wunsch von mir wäre es, eine Waldstrasse im steilen Gelände zu erstellen – eine sogenannte Rückegasse, die dem Transport von gefällten Bäumen dient. Das würde unsere Arbeit in dem schwierigen Gelände erleichtern.
2. Du bist im Kanton Zürich aufgewachsen und hast dort auch deine Ausbildung zum Forstwart absolviert. Was hat dich nach Schaan verschlagen?
Die Liebe. Nach meiner Ausbildung in Rafz im Zürcher Unterland habe ich vier Jahre für den Kanton Zürich im Revier Oberembrach-Lufingen gearbeitet. Damals habe ich meine heutige Frau Mirjam kennengelernt, die Liechtensteinerin ist. Wir haben hin und her überlegt, wer zu wem ziehen soll. Als die Forstgemeinschaft Gamprin-Ruggell-Schellenberg eine Stelle ausgeschrieben hatte, ergriff ich die Gelegenheit und bewarb mich – mit Erfolg. Vier Jahre später wechselte ich dann in den Forstwerkhof Schaan. Den Entscheid, nach Liechtenstein zu ziehen, habe ich nie bereut. Nicht nur wegen meiner Frau, sondern auch wegen meiner Hobbys. Ich bin ein absoluter Berg- und Naturmensch, und hier liegen die Berge vor meiner Haustüre. Das schätze ich sehr. Da kann Zürich nicht mithalten.
3. An Projekten und Ideen mangelt es dem Forstwerkhof Schaan nie. Man denke nur an die Organisation des Köhlerfests, die Erstellung des Waldlehrpfads «Fuchs auf Dux», den LIHGA-Auftritt oder die Waldtage für Liechtensteins Schulen. Was waren deine persönlichen Highlights in den vergangenen 25 Jahren?
Es ist schwierig, sich für etwas zu entscheiden. Grundsätzlich gehört es für mich zu den schönsten Aspekten, zu sehen, wie der Wald wächst. Wie kleine Jungbäume, die ich eingepflanzt und gepflegt habe, zu stattlichen Exemplaren werden. In den vergangenen 25 Jahren habe ich jeden ihrer «Schritte» begleitet. Der Wald ist mit mir mitgegangen, ist gemeinsam mit mir gealtert. Auch wenn seine Lebensdauer hoffentlich um ein Vielfaches länger ist als die meine. Wenn ich einzelne Ereignisse herauspicken müsste, die mir besonders im Gedächtnis geblieben sind, gehört das erste Köhlerfest im Jahr 2014 dazu. Ein anderes, aktuelles Beispiel ist die Rüfensituation während der starken Regenfälle im August dieses Jahres. Selbst wenn diese nicht zu den schönsten Erlebnissen gehörte, so doch zu den eindrücklichsten. Es war unglaublich, welche Mengen an Wasser, Geröll und Holz vom Berg heruntergekommen sind. So etwas habe ich noch nie erlebt. An dem Tag, als der Starkregen gefährliche Ausmasse angenommen hat, war ich einmal tagsüber, dann abends und schliesslich um 3 Uhr nachts vor Ort, um die Lage zu prüfen. Und jedes Mal hat sich die Situation um ein Vielfaches verschärft. Die Rüfenverbauungen haben sich aber super bewährt und den Murenabgang in geordnete Bahnen gelenkt. Die Situation war immer unter Kontrolle. Dennoch macht es Eindruck, zu erleben, welche Kraft die Natur haben kann.
4. Du hast bereits an mehreren Holzfäller-Weltmeisterschaften teilgenommen – als Wettkämpfer sowie als technischer Leiter und als Teamchef. Das waren sicher tolle Erfahrungen.
Ich erinnere mich gerne an die vielen Erlebnisse zurück. Insgesamt habe ich an acht Holzfäller-Weltmeisterschaften teilgenommen. Für eine Teilnahme braucht es jeweils drei Aktive sowie einen Junior U24. Die Kriterien sind Präzision und Schnelligkeit. Im Jahr 2004 habe ich es nach den Ausscheidungen in Turin als dritter Wettkämpfer ins Team geschafft. In den späteren Jahren war ich dann jeweils als technischer Leiter oder Teamchef dabei. Ein bemerkenswertes Jahr war 2006, als sich unser Junior Patrik Walser den U24-Weltmeistertitel geholt hat. Aber auch sonst haben wir immer wieder in einzelnen Disziplinen Medaillen heimgetragen. 2018 haben wir beispielsweise in Norwegen die Länderstafette gewonnen. Das war das letzte Mal, dass Liechtenstein an den Holzfäller-Weltmeisterschaften teilgenommen hat. Für mich persönlich war es ebenfalls die letzte WM. Acht Teilnahmen sind genug. Jetzt sollen die Jüngeren ran.
5. Dein Beruf ist körperlich sehr anspruchsvoll. Wo schaltest du ab und findest Erholung?
Selbst wenn mich der Job körperlich fordert, bewege ich mich auch in meiner Freizeit gern. In jungen Jahren bin ich hobbymässig Bergrennen und Einrad gefahren. Damals war ich Mitglied im Veloclub Rafz, später dann im Radfahrerverein Schaan. Zwar gehören Wettkämpfe heute der Vergangenheit an, aber ich liebe es noch immer, mit dem Bike in den Bergen unterwegs zu sein. Im Winter tausche ich dann das Rad gegen die Skier. Ich war auch lange Zeit Vorstandsmitglied im Skiclub. Es macht mir Freude, junge Talente zu fördern und ihnen den Spass am Skifahren zu vermitteln. Zudem bin ich seit 25 Jahren bei der Feuerwehr Schaan – gleich lange, wie ich bei der Gemeinde arbeite. An erster Stelle steht bei allem aber immer meine Familie, meine Frau und meine drei Söhne. Zum Glück sind alle sportlich, so können wir gemeinsam was unternehmen. Auch wenn ich meinen Söhnen mittlerweile auf der Skipiste zu langsam bin. (lacht)
Foto: Brigitt Risch