«Im Büro höre ich am liebsten Hard Rock»
Streng, unnahbar und bieder – so werden Schulleiter in Filmen gerne dargestellt. Philipp Dünser ist das exakte Gegenteil davon. Der Schulleiter der Gemeindeschulen Resch besticht nicht nur durch seine empathische und kommunikative Art, sondern auch durch seinen fortschrittlichen und innovativen Geist. Dabei rockt er seinen Job mit derselben Power wie seinen Bass.
1. Man munkelt, dass du ohne deinen Cello-Lehrer heute Banker wärst. Steckt hinter diesem Gerücht ein Funken Wahrheit?
Das stimmt. Nach Abschluss der Realschule hatte ich eigentlich schon eine Lehrstelle bei der Bank auf sicher. Mein Cello-Lehrer war mit dieser Wahl aber nicht einverstanden. Er meinte, ich müsse unbedingt etwas Kreatives machen, was mit Kindern. Ich sei der geborene Lehrer. Ich habe mich dann einfach mal zur Aufnahmeprüfung beim Lehrerseminar angemeldet. Als ich diese bestanden hatte, hat es mich richtig gepackt, und ich war Feuer und Flamme für die Ausbildung. Eine Entscheidung, die ich nie bereut habe. Natürlich würde ich als Banker wahrscheinlich mehr Geld verdienen, aber meine Tätigkeit erfüllt mich sehr. Sie ist sinnvoll und macht Freude. Noch heute bin ich meinem Cello-Lehrer dankbar, dass er meine wahre Bestimmung erkannt hat.
2. Seit Abschluss deiner Ausbildung bist du fester Bestandteil der Schaaner Gemeindeschulen. Vor 27 Jahren hast du im Resch mit dem Unterrichten begonnen. Vor 22 Jahren wurdest du stellvertretender Schulleiter, und seit 16 Jahren bist du ausschliesslich als Schulleiter tätig. Eine lange Zeit, in der sich im Schulwesen einiges getan hat. Was waren die prägendsten Veränderungen?
Dass ich gleich nach der Ausbildung nach Schaan zurückkehren würde, war eigentlich nicht geplant. Ich wollte in einer anderen Gemeinde arbeiten, um etwas Abstand zu haben. Aber als mich das Schulamt für eine Stelle in Schaan angefragt hat, konnte ich nicht «nein» sagen. Es war das Beste, was mir passieren konnte. Schaan ist in Bezug auf die Schulentwicklung enorm innovativ und fortschrittlich. Allein das Schulgebäude Resch zeugt davon. Früher war es ein grauer Betonklotz. Durch die Aussengestaltung durch Künstler Martin Frommelt – im Zuge des Gebäudeumbaus vor rund 20 Jahren – ist es heute wahrscheinlich das bunteste Schulgebäude im ganzen Land. Alles ist hell und freundlich. Aber nicht nur das. Die Leichtbauwände und das Traktsystem ermöglichen eine enorme Flexibilität in der Raumgestaltung. So hat sich das Gebäude gemeinsam mit uns weiterentwickeln können. Eine der prägendsten Veränderungen in meinen frühen Jahren war die Einführung der Schülerbeurteilung ohne Noten. Damit ging auch die Neuerung einher, dass bei den Elterngesprächen das Gespräch vorwiegend mit dem Kind geführt werden soll. Dann ist natürlich die Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien – kurz ICT – zu nennen. Als ich meine Lehrertätigkeit aufgenommen habe, gab es gerade mal drei PCs im Lehrerzimmer. Heute verfügt jedes Kind über ein iPad. Ein grosser Meilenstein war schliesslich der Start der Tagesschule vor über 15 Jahren. Fünf Jahre später folge die Umsetzung des altersdurchmischten Lernens, kurz AdL. Persönlich war ich schon vorher davon überzeugt, dass diese Form des Lernens Zukunft hat. Eine Evaluation, die wir zwei Jahre nach der Umsetzung durchgeführt haben, hat uns in unserer Entscheidung bestätigt: Die grosse Mehrheit aller Beteiligten war von der Umsetzung des AdL überzeugt. Aktuell sind wir mit der Umsetzung des neuen Lehrplans LiLe beschäftigt. Die Fokussierung auf das kompetenzorientierte Lernen spielt uns beim AdL in die Karten. Wir sehen darin grosses Potenzial, um die Kinder beim Lernen noch individueller zu unterstützen.
3. Was macht eigentlich ein Schulleiter den ganzen Tag? Welche Aufgaben kosten dich am meisten Zeit und wofür schlägt dein Herz am höchsten?
Am meisten Zeit beansprucht sicher die Stundenplanung für das ganze Schuljahr – die Einteilung von Lehrpersonen und Schulklassen. Die dauert von Februar bis Juli. Dann kümmere ich mich um Anstellungen und führe über 50 Mitarbeitergespräche pro Jahr. Persönlich ist es mir sehr wichtig, regelmässig den Unterricht zu besuchen. Zum einen aus Interesse, zum anderen aber auch, da der Klassenrat so direkt Fragen an die Schulleitung stellen kann. Des Weiteren stehe ich in engem Kontakt mit dem Schulamt sowie der Gemeinde und bin für die Erstellung des jährlichen Budgets verantwortlich. Am meisten schlägt mein Herz aber für die Schulentwicklung. Ziel ist es stets, das Lernen für die Kinder weiter zu optimieren. Diesen Prozess zu begleiten, empfinde ich als sehr spannend. Einschneidende Entscheidungen werden dabei im Plenum mit der Lehrerschaft diskutiert. Ich bin jemand, der zuhören kann und andere Meinungen respektiert. Gleichzeitig weiss ich aber auch, was ich will, und versuche natürlich, mit guten Argumenten zu überzeugen. Am Ende ist ein Entscheid immer nur so gut, wie er auch von allen mitgetragen wird. Diesbezüglich darf ich glücklicherweise auf grosses Vertrauen der Lehrerinnen und Lehrer zählen. Das ist mir sehr wichtig, deshalb steht auch meine Tür immer offen. Nicht zuletzt bin ich aufgrund meiner persönlichen Affinität zur Technik auch IT-Verantwortlicher für die ganze Gemeindeschule – egal, ob es um PCs, Notebooks, Smartboards, Visualizer oder iPads geht.
4. Du bist nicht nur Schulleiter, sondern auch Vater von zwei Kindern. Mittlerweile sind sie aus dem Primarschulalter raus, aber wie hast du den Spagat zwischen diesen beiden Rollen gemeistert? Das hat sicher zu der einen oder anderen speziellen Situation geführt. Und wie fanden es deine Kinder, dass ihr Papa ihre Schule leitet?
Als mein älterer Sohn ins Schulalter kam, bereitete mir das schon etwas Kopfzerbrechen. Glücklicherweise waren meine Sorgen unbegründet. Natürlich war die Situation speziell, aber ich hatte mit meinen beiden Buben Glück. Sie wurden von ihren Freunden wegen mir nie blöd angeredet und fanden es sogar cool, dass ich Schulleiter bin. Ich glaube, es gab ihnen Sicherheit, dass ich immer erreichbar war. Und auch ich habe die Nähe zu meinen Kindern genossen. Natürlich gab es Situationen, in denen sie es sich anders gewünscht hätten. Zum Beispiel, wenn sie im Unterricht was «angestellt» hatten und ich bereits darüber informiert war, ehe die Jungs ihre Version davon erzählen konnten. (schmunzelt) Nur an die die Elternabende habe ich meine Frau alleine geschickt. In dieser grossen Runde war es schwierig, die Rolle des Schulleiters komplett abzulegen. Bei den Elterngesprächen im kleinen Kreis war ich aber immer dabei. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass sich die Lehrpersonen in irgendeiner Form davon eingeschüchtert fühlten. Dafür ist unser Vertrauensverhältnis zu eng.
5. Dein Cello-Lehrer hat deinen beruflichen Weg geprägt. Genauso prägend für dein Leben blieb dabei die Musik selbst. Du bist unter anderem Gründungsmitglied der Band «Doktor Schlager und die Kuschelbären». Wie oft greifst du heute noch zum Cello oder E-Bass und was bedeutet dir die Musik?
Ein Leben ohne Musik kann ich mir nicht vorstellen. In frühen Jahren habe ich Cello im Jugend-Sinfonieorchester gespielt. Meine Kollegen haben mich dann überredet, für eine Band die Rolle des Bassisten zu übernehmen. Die Instrumente seien ja mehr oder weniger gleich. Stimmt zwar nicht, aber ich liess mich dennoch begeistern und habe mir das Bass-Spielen selbst beigebracht. Als Musikfreund war ich natürlich auch in einer Guggamusik – bei den Vaduzer Törmegugern, um genau zu sein. Für Vaduz habe ich mich entschieden, weil ich meiner Freizeitaktivität nicht in der Gemeinde nachgehen wollte, in der ich arbeite. Zusammen mit meinen Freunden entstand dort die Idee, eine Schlagerband zu gründen. Daraus entwickelte sich die Band «Doktor Schlager und die Kuschelbären», mit der wir an verschiedenen Anlässen – wie der Wiesengaudi – für Stimmung gesorgt haben. Es macht schon grossen Spass, zu sehen, wie man die Menschen mit seiner Musik mitreissen kann. Musik verbindet einfach. Zudem bin ich seit vielen Jahren in der Lehrerband Resch, mit der wir alle zwei Wochen proben. Und gerade vor Kurzem habe ich seit zirka zehn Jahren zum ersten Mal wieder Cello gespielt – einfach für mich. Musik entspannt mich, und eigentlich höre ich den ganzen Tag Musik. Bei uns zu Hause ist sogar der Garten beschallt. Selbst im Büro läuft ständig Hintergrundmusik – am liebsten Hardrock und Rock. Da geht mir die Arbeit leichter von der Hand. Ich bin froh, dass meine rechte Hand, Tamara Brunhart, die mit mir das Büro teilt, da sehr tolerant ist. (lacht)
Foto: Brigitt Risch