
1180 Jahre Wirtshaustradition vom Reichsurbar bis heute
Die Gastronomie hat in Schaan eine lange und bewegte Geschichte. Vom ersten Betrieb des Landes über den erfolgreichsten zu Zeiten der napoleonischen Kriege und die Anwerbestätte für Schweizer Söldner war vieles dabei. Heute bestehen neben dem «Rössle» als letztem Restaurant mit langer Tradition zahlreiche neue Gastronomiebetriebe, die erfolgreich die unterschiedlichsten Gästebedürfnisse befriedigen.
Für Liechtenstein findet sich im churrätischen Reichsgutsurbar, einem Güterverzeichnis aus den Jahren 842/843, die erste Erwähnung eines «tabernarius», also eines Gastwirts, in Schaan. Folglich befand sich der erste nachweisbare Gastronomiebetrieb in der Gemeinde. Danach sind Tavernen erst wieder ab dem Spätmittelalter belegt: 1483 eine in Schaanwald und um 1509/17 je eine in Balzers, Triesen und Schaan. Viel ist darüber nicht bekannt. Letztere wurde aber um 1600 von Landammann Thomas Walser geführt. Die Wirtshäuser lagen damals im ganzen Talbereich Liechtensteins zumeist an der Landstrasse. So konnten sie bis ins frühe 19. Jahrhundert vom Fuhrwesen auf der Verbindung von Lindau über Bregenz nach Chur und Mailand profitierten. Schaan war dort Zwischenstation.
Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert bestanden in Schaan die Wirtshäuser «Kreuz» und «Löwen». Zum «Kreuz» lässt sich anhand der abgeführten Umsatzsteuer auf alkoholische Getränke feststellen, dass die Geschäfte zur Blütezeit des Fuhrwesens nicht schlecht liefen. 1811 beispielsweise leistete der Betreiber mit 155,23 Gulden die mit Abstand höchsten Abgaben aller Wirtshäuser im Land, 1813 mit 143,50 Gulden die höchsten im gesamten Oberland. Zu Beginn des Jahres 1826 scheint das «Kreuz» seine Türen aber geschlossen zu haben. Es sind lediglich noch 3,54 Gulden an Steuern vermerkt, und in den Folgejahren wird das Gasthaus in den Listen überhaupt nicht mehr erwähnt.
Von den Fuhrleuten zu päpstlichen Soldaten
Selbstverständlich war das Gastgewerbe vom Staat stark reguliert. Unter anderem enthält die Polizeiordnung von 1843 entsprechende Bestimmungen. In Gasthäusern war die Polizeistunde zwischen Martini und Georgi – vom 11. November bis 23. April – um 23 Uhr, zwischen Georgi und Martini um 24 Uhr. Einfache Schankstuben ohne warmes Essen mussten eine Stunde früher schliessen. Ohne gültige Ausweispapiere durfte niemandem Unterkunft gewährt werden. Jedes Gasthaus hatte fixe Preislisten. Die Preise für Gastzimmer, Beleuchtung, Heizung sowie Stallung, Hafer und Heu waren alle drei Monate neu festzulegen. Sämtliche Preise mussten vorgängig vom Oberamt in Vaduz genehmigt werden.
Mit dem Zerfall des Fuhrwesens und der Verlagerung des Durchgangsverkehrs auf die schweizerische Rheintalseite verschlechterte sich im Lauf der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Lage für das liechtensteinische Gastgewerbe. Die Gastbetriebe waren fast ausschliesslich auf die lokale Kundschaft angewiesen, die finanziell in der Regel nicht sonderlich gut gestellt war.
Der Schaaner «Löwen» fand aber noch eine andere Methode, um Gäste anzuziehen: Selbst wenn der Dienst als Soldat für ausländische Kriegsherren, also das Söldnerwesen, in der Schweiz eine lange Tradition hat, war es Mitte des 19. Jahrhunderts bereits verboten, Schweizer Soldaten für fremde Dienste anzuwerben. Doch die von den päpstlichen Behörden beauftragten Werber wussten sich zu helfen, um die Reihen in der Armee des Kirchenstaats zu füllen. Sie wichen auf grenznahe Gasthäuser aus. Eines davon war der «Löwen», wie aus einem Brief eines Josef Jenny in Rom vom 25. Juli 1853 an seinen Bruder Johann Bernhard Jenny in Luzern hervorgeht. Darin sind auch die Anwerbungsbedingungen genannt, die erfüllt werden mussten. Die potenziellen Soldaten mussten mindestens «5 Fuss und 3 Zoll Körpergrösse» haben, also knapp 1,62 Meter messen, «von starkem, diensttauglichem Körperbau sein» und zwischen 18 bis 35 Jahre alt. Ausserdem «Katholischer Religion […] und anerkannter, conservativer Gesinnung, welche durch den Ortspfarrer oder durch eine andere in dieser Beziehung bekannte Persönlichtkeit bezeugt wird».
Neue Konzessionen und ein Teilentzug
Ab den 1870er-Jahren profitierte das Gastgewerbe in Liechtenstein von der allgemeinen wirtschaftlichen Besserstellung der Bevölkerung. In den Dörfern entstanden neue Wirtshäuser. So auch in Schaan. Für 1872 sind folgende Schaaner Gastwirte überliefert: Eduard Wachter im «Löwen», Baptist Quaderer im «Bierkeller», Josef Wachter in der «Post» sowie Karl Kaufmann im «Rössle». Martin Hepberger und Andreas Walser bewirteten Schankstuben. Vor 1900 eröffneten die «Linde» und die «Traube», letztere zunächst an der Feldkircherstrasse und ab 1911 an der Landstrasse in der Sax. Zuvor existierte die «Traube» bereits als Weinschänke und zeitweise – ohne Bewilligung – als Wirtshaus, wie aus einem Schreiben der Regierung, gezeichnet von Landesverweser In der Maur, aus dem Mai 1891 hervorgeht:
Die Behauptung der Wittwe Katharina Jehly in Schaan, daβ ihrem verstorbenen Manne die Weinschankconzeβion behördlich erweitert worden sei, erweist sich als unrichtig, weil hierüber weder in den hierämtlichen Akten noch in den Gemeindeakten etwas vorgefunden wurde, noch auch das betreffende, angeblich erlaβene Regierungsdekret vorgewiesen werden konnte. Da Wittwe Jehly indeβen wie es scheint im guten Glauben durch längere Zeit statt des Weinschankes eine Gastwirthschaft betrieben hat und durch plötzliche Einstellung derselben in Schaden gerathen würde, nimmt die fürstl. Regierung keinen Anstand, zu gestatten, daβ die Genannte bis Ende dieses Jahres die Gastwirthschaft weiter betreibe. Wittwe Jehli hat jedoch die gegenwärtige Firmatafel («Wirthschaft zur Traube») sofort zu entfernen und sich vom 1. Jänner 1892 angefangen auf den Betrieb des Weinschankes zu beschränken. Der Ortsvorsteher wird aufgefordert die Genannte hievon zu verständigen und binnen 3 Tagen über die Entfernung der erwähnten Firmatafel zu berichten. Die Anbringung eines Schildes: «Weinschank zur Traube» unterliegt selbstverständlich keinem Anstande.
1913 kam der Gasthof «Dux», zuerst nur als Kaffeestube, und 1924 das «Café Risch» dazu. Im Lauf der folgenden Jahrzehnte gab es in Schaan in den Blütezeiten der Gastronomie an die 30 Betriebe. Dazu zählten nicht mehr nur die klassischen Wirtshäuser und Hotels, sondern auch Schnellimbisse, Bars und Clubs. Heute sind es 23. Im Jahr 2014 boten ausserdem fünf Hotels über 130 Betten an. Hinzu kam die Jugendherberge mit 96 Betten. Die Zahl der Hotelbetten ging mit der nach und nach erfolgenden Schliessung aller Hotels auf null zurück. Die Jungendherberge bietet seit ihrem Neubau und der Eröffnung im Frühjahr 2021 aber neu 116 Betten an. Weitere Hotelleriebetriebe sind im Entstehen begriffen, sodass Schaan diesbezüglich bald wieder an alte Zeiten anknüpfen und diese sogar übertreffen kann.
Quellen:
Klaus Biedermann. Das Rod- und Fuhrwesen in Liechtenstein. In: Jahrbuch des Historischen Vereins, Nummer 97
Julia Frick. Beitrag «Gastgewerbe». In: Historisches Lexikon
Gemeindearchiv Schaan
Auftaktbild: Gasthaus zum Rössle, ca. 1915 / Gemeindearchiv Schaan