Heizen mit Abfall – das Fernwärmenetz wächst
Seit 14 Jahren nutzt die Schaaner Industrie Energie, die beim Verbrennen von Abfall in der Buchser Kehrichtverwertungsanlage (KVA) entsteht. Mittlerweile profitieren auch zahlreiche öffentliche und private Gebäude von der dort anfallenden Wärme. Ein ans Fernwärmenetz angeschlossenes Einfamilienhaus kann bis zu drei Tonnen CO2 einsparen – mit positiven Auswirkungen auf Klima und Geldbeutel. Dementsprechend wird das Netz laufend erweitert.
Das Prinzip der Nutzung von Fernwärme ist seit rund 140 Jahren bekannt und wurde seither stetig weiterentwickelt. Insbesondere im 21. Jahrhundert erfuhr es wesentliche Verbesserungen. Ende des letzten Jahrhunderts wurde das Potenzial auch in Liechtenstein entdeckt. Mittlerweile decken Dampf und Fernwärme, die bei der Verbrennung von Abfall entstehen, rund 10 Prozent des Liechtensteiner Energiebedarfs. Tendenz steigend.
«Technisch gesehen kann jedes Gebäude ans Fernwärmenetz angeschlossen werden. Im Einzelfall gilt es natürlich zu prüfen, ob es ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. In aller Regel ist dies aber der Fall», sagt Marc Good. Beim Energieversorger Liechtenstein Wärme, der ehemaligen Gasversorgung, hat er die Position des Leiters Ausführung/Bau/Unterhalt inne, in der er auch für den Ausbau des Fernwärmenetzes zuständig ist.
Eine Energiequelle der Zukunft
Dass dieser Ausbau stetig voranschreitet, war Ende des vergangenen Jahres angesichts der Gräben und Rohre neben Wiesengass und Rüttileweg nicht zu übersehen. «Angefangen hat alles mit der Eröffnung der Energiebrücke im Jahr 2009. Zunächst waren es allerdings lediglich Industriebetriebe, die von der in die Brücke integrierten Dampfleitung profitieren konnten. Dafür ist Liechtenstein Wärme jedoch nicht zuständig», sagt Marc Good. Schaan hatte aber auch bereits erste, lokal begrenzte Fernwärmenetze, die über die Blockheizkraftwerke und Holzhackschnitzelheizungen den SAL sowie das Schul- und Gemeinschaftszentrum Resch mit Energie versorgten. Eine Reihe umliegender Gebäude war ebenfalls an diese beiden Netze angeschlossen. «Die damalige Gasversorgung hat sie in den Jahren 2013 bzw. 2015 übernommen, und wir betreiben sie seither. Das Gleiche gilt für einen dritten Fernwärmeverbund mit dem ehemaligen Milchhof als Knotenpunkt, dieser wurde aber komplett selbständig aufgebaut.»
Dass Fernwärme eine Energiequelle der Zukunft ist, hat sich in der Folge immer klarer herauskristallisiert. Klimawandel, steigende Energiepreise und drohende Mangellagen haben den Trend noch verstärkt. So hat sich Liechtenstein Wärme vor einigen Jahren entschieden, die Energiebrücke auch für eine Fernwärmeleitung zu nutzen. Bis zur Wiesengass wurde eine solche gelegt, mit der seither unter anderem das Gebäude der Sportanlage Rheinwiese, Dienstleistungs- und Verwaltungszentren sowie Gewerbe- und Industriebetriebe beheizt werden. Die erwähnten Arbeiten vom Ende des vergangenen Jahres waren dann Teil des Ausbaus einer «Fernwärme-Hauptschlagader», wie Marc Good es formuliert, von Schaan nach Vaduz.
Im laufenden Jahr folgt über eine Reihe von Baustellen, unter anderem in der Obergass, in weiteren Teilbereichen der Reberastrasse und der Wiesengass, die Feinerschliessung von Schaaner Wohnquartieren.
Verbindung der Netze rückt näher
Wie schnell die Arbeiten voranschreiten, lässt sich nicht exakt abschätzen, da für die Leitungen unter anderem Stahl benötigt wird. «Die Lieferketten sind auch in diesem Bereich ein Problem. Russland ist der grösste Stahlproduzent der Welt. Die Lieferungen von dort fallen fast komplett aus. Der Fernwärme-Boom in ganz Europa trägt sein Übriges bei, genau wie Hamsterkäufe mancher Unternehmen. All das sorgt für Verzögerungen», sagt Marc Good.
Liechtenstein Wärme hat die Hauptmaterialien für den Netzausbau zwar bereits frühzeitig bestellt. «Dennoch können sich immer wieder Situationen ergeben, in denen die beauftragten Unternehmen Spezialteile benötigen, deren Lieferung wieder ihre Zeit braucht.» Derzeit sieht der Plan aber so aus, dass die drei lokal begrenzten Netze in Schaan bis in etwa einem Jahr miteinander verbunden sind.
Davon profitieren auch die Anlieger der Verbindungsleitungen. «Wir gehen auf alle Eigentümer der ersten und zweiten Bautiefe sowie auf Unternehmen zu und informieren sie über die Möglichkeiten eines Anschlusses und die Vorteile von Fernwärme. Neben der hohen Versorgungssicherheit gehört zu diesen Vorteilen auch die Tatsache, dass schon ein einziges Einfamilienhaus beim Umstieg von Öl auf Fernwärme zirka 3000 Kilo CO2-Äquivalente pro Jahr einspart», sagt Marc Good, der davon ausgeht, dass Liechtenstein Wärme sein Fernwärmenetz in Schaan auch in den folgenden Jahren weiter ausbauen wird. «Wir stehen in regelmässigem Austausch mit den Verantwortlichen für Hoch- und Tiefbau in der Gemeindeverwaltung. Ideen und Optimierungsvorschläge werden ausgetauscht und auf kollegiale sowie professionelle Art und Weise besprochen und allfällig umgesetzt.»
Potenzial längst noch nicht ausgeschöpft
Von der zunehmenden Bedeutung der Fernwärme für die künftige Versorgung der Energiestadt Schaan ist auch Gemeindevorsteher Daniel Hilti überzeugt: «Das Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft. In der Schweiz gehen Experten davon aus, dass eine Verdopplung bis Verdreifachung möglich ist.» Für Liechtenstein konkrete Zahlen zu nennen, ist schwierig. «Aber wir haben auf jeden Fall noch viel Luft nach oben. Die Gemeinde Schaan unterstützt die Bestrebungen zum Ausbau der Fernwärmenetze nach Kräften, nicht zuletzt, wenn es um den Anschluss unserer eigenen Liegenschaften geht. Denn auch diesbezüglich sind wir bestrebt, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ausserdem ist jede CO2-Einsparung ein Gewinn für Klima und Umwelt – und die Fernwärme gibt uns die Chance, wesentliche Mengen einzusparen. Daher freuen wir uns, dass das Fernwärmeprojekt von Liechtenstein Wärme kontinuierlich ausgebaut wird.»
Fotos: Brigitt und Eddy Risch