Ein Mann – eine klare Linie
Seit mehr als 30 Jahren schreibt Werkhof-Mitarbeiter Rainer Davida die Grabkreuze für den Friedhof an. Auch sein eigenes Kreuz hat er bereits beschriftet. Makaber? Nicht für Rainer: «Warum makaber? Der Tod gehört zum Leben. Man muss so leben, dass man am Ende sagen kann: ‹Schön war’s.›» Ein Motto, das sich bei ihm durch alle Lebensbereiche zieht.
1. Mehr als 30 Jahre arbeitest du nun schon beim Werkhof Schaan. Da hast du sicher einige Veränderungen miterlebt.
Eigentlich haben sich die Aufgaben nicht verändert. Der Werkhof war schon immer breit aufgestellt, und das ist er auch heute noch. Als ich 1990 angefangen habe, wurde ich als «Springer» eingesetzt, also dort, wo gerade Not am Mann war – auf der Deponie, dem Sportplatz oder in der Sammelstelle. Heute bin ich stellvertretender Leiter der Sammelstelle und hauptsächlich auf dem Werkhof selbst im Einsatz. Aber ich arbeite immer noch gerne beim Strassenunterhalt, dem Winterdienst, bei der Pflege der Grünanlagen, beim Ausschneiden der Gräben oder auch bei der Vorbereitung von Festanlässen mit. Diese Vielseitigkeit zeichnet einen Werkhof-Mitarbeiter aus und macht die Arbeit abwechslungsreich. Man muss überall einsetzbar sein und vor allem stets hilfsbereit und korrekt bleiben. Uns sehen die Menschen, wir sind der Spiegel der Gemeindeverwaltung und tragen zum Image bei. Aber nochmals zur Ausgangsfrage: In gewissen Bereichen hat die Technologisierung natürlich schon Erleichterungen gebracht. Früher haben wir beispielsweise die Gräben mit der Sense ausgemäht, heute erledigen wir diese Arbeit teilweise mit dem Traktor. Nur beim Anschreiben der Grabkreuze für den Friedhof sind wir traditionell geblieben. Während andere Gemeinden diese mittlerweile bekleben, beschrifte ich sie immer noch von Hand.
2. Für das Anschreiben der Grabkreuze bist du seit deinem Eintritt in die Gemeindeverwaltung zuständig. Wie bist du zu dieser aussergewöhnlichen Aufgabe gekommen?
Früher war ein Maler für die Grabkreuze zuständig, aber er wollte diese Aufgabe abgeben. Da ich ursprünglich eine Malerausbildung gemacht habe, stand schnell fest, wer künftig die Beschriftung übernehmen sollte. Am Anfang war es nicht ganz einfach, da es sich um eine gotische Schrift handelt, aber ich bin in die Aufgabe hineingewachsen. Der Ablauf ist immer der Gleiche. Zuerst werden die Kreuze schwarz gestrichen, dann folgen der Name sowie das Geburts- und das Todesdatum in weisser Schrift. Was viele nicht wissen: Wir vom Werkhof übernehmen auch die Aufgabe der Totengräber. Wir tragen die Särge auf den Friedhof, heben die Gräber aus und schaufeln sie auch zu.
3. Stimmt es, dass du dein eigenes Kreuz bereits beschriftet hast?
So ist es – schon vor über 20 Jahren. Mit Namen und Geburtsdatum. Nur das Sterbedatum muss wohl jemand anderes eintragen. (lacht) Es gibt Leute, die das makaber empfinden – aber da bin ich anderer Meinung. Alles ist ein Kreislauf, der Tod gehört zum Leben. Ich empfinde es als falsch, wenn die Gesellschaft dieses Thema verdrängt. Denn wenn eines feststeht, dann ist es, dass wir alle irgendwann sterben werden. Ich habe schon gute Freunde begraben, damit kann ich umgehen. Wichtig ist doch, dass man so lebt, dass man am Ende sagen kann: «Schön war’s.» Und dass man allfällige Angelegenheiten bereinigt, solange man noch kann. Genauso lebe ich – im Beruf, im Privatleben und im Sport.
4. Apropos Sport: Du hast dich mit Haut und Haar dem Kickboxen verschrieben. Was fasziniert dich so an diesem Sport?
Kickboxen ist ein Ganzkörpertraining und eine Lebensschule in Sachen Disziplin und Durchhaltevermögen. Zudem gefällt mir, dass es ein Einzelsport ist. Als ich im Alter von zirka 30 Jahren mit Kickboxen begonnen habe, wurde ich nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental stärker. Eine Erfahrung, die ich anderen Menschen ebenfalls ermöglichen möchte. Deshalb habe ich mich immer sehr für den Sport engagiert, war rund 20 Jahre Präsident der Kickboxer, selbst Trainer und habe das Nationalteam mit aufgebaut. Mittlerweile dürfen wir mit Stolz sagen, dass Liechtensteins Kickbox-Szene seit vielen Jahren zur Weltspitze gehört. Natürlich merke ich mit meinen 58 Jahren, dass ich älter werde, aber fit bin ich immer noch. Das ist eine Einstellungs- und Kopfsache. Ich trainiere wöchentlich die «Golden Oldies» – das sind die Kickboxer ab 35 Jahren aufwärts, und zusätzlich trainiere ich noch zwei- bis dreimal wöchentlich selbst. So bleiben Körper und Geist gesund.
5. Und nicht zuletzt bist du ein grosser Fan des Hamburger Fussballvereins HSV. Wann immer möglich, reist du an die Spiele vor Ort. Warum gerade der HSV?
Mit 18 Jahren reiste ich nach Hamburg und verfolgte einen Match der Mannschaft, die zu dieser Zeit noch von Kulttrainer Ernst Happel trainiert wurde. Happel hat mir mit seiner Disziplin und klaren Linie immer extrem imponiert und diente mir als Vorbild, als ich selbst Trainer wurde. Ich habe ihn einmal in Schaan erlebt, als er mit seiner Mannschaft ein Spiel hatte – damals hat er den FC Innsbruck trainiert. Zu jener Zeit war ich als Werkhofmitarbeiter für den Sportplatz zuständig und hatte somit Einblick in die Spielerkabinen. Im Gegensatz zur anderen Mannschaft war bei jener von Ernst Happel nach dem Spiel alles ordentlich und aufgeräumt. Das hat mir imponiert. Auf jeden Fall bin ich seit dem besagten Hamburg-Besuch in meiner Jugend ein Fan des HSV. Ich habe die Karriere des Vereins miterlebt, von seinem Aufstieg zum Meistertitel bis hin zum Abstieg in die zweite Liga. Da leidet man natürlich mit. Mittlerweile gehöre ich übrigens zu den «Ewigen Mitgliedern» des HSV. Diese Mitgliedschaft ist nur 1887 Personen vorenthalten – abgeleitet vom Gründungsjahr des Fussballvereins. Auf meinem Arm habe ich diese Zahl auch mit einem Tattoo verewigt – neben den Logos vom HSV und von Chikudo Martial Arts. Die Welt darf ruhig sehen, für was ich einstehe.
Bildnachweis: Brigitt Risch