
«Ein jahrhundertealtes Versprechen verpflichtet»
Die Pest war eine der Geisseln des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Die einzige Zuflucht für die Bewohner der betroffenen Gegenden war der Glaube. Zeugnis davon, dass dies auch in Liechtenstein so war, gibt unter anderem der Schaaner Bettag am 20. Januar, das Fest der Heiligen Fabian und Sebastian.
Die bis heute schwerste Pestepidemie breitete sich ab 1347 von Italien über ganz Europa aus. In den folgenden Jahren entvölkerte sie ganze Landstriche und trat in späteren Jahrhunderten immer wieder auf. In mehreren Wellen suchte sie auch Liechtenstein heim und brachte Tod und Verderben. Für das Land sind kaum detaillierte Opferzahlen überliefert. Dimensionen lassen sich jedoch bei einem Blick in die Region abschätzen. Allein die Pest von 1629 forderte in Feldkirch 700 Menschenleben, deutlich mehr als ein Drittel der damaligen Stadtbevölkerung. Bendern, wohl zusammen mit Gamprin, meldete 60 Tote. Insgesamt kam es im 17. Jahrhundert zu vier Pestepidemien in Liechtenstein, die keine Gemeinde verschonten. Das letzte Auftreten der Krankheit fällt in das Jahr 1689.
Die Heiligen versprachen Hilfe
Da die damalige Medizin der Pest wenig entgegenzusetzen hatte, suchten die Menschen vor allem Zuflucht im Glauben. Unter anderem baten sie die Pestheiligen um Hilfe, von denen sie sich besonderen Schutz versprachen. In Liechtenstein waren dies vor allem Sebastian und Rochus, denen bei der Pestwelle 1639 die Nendler Kapelle gebaut und gewidmet wurde. An den Heiligen Sebastian, auf dessen Anrufung die Justinianische Pest in Rom im Jahr 680 ein Ende gefunden haben soll, wandte sich aber auch die Schaaner Bevölkerung bei einer nicht datierten Pestwelle im 17. Jahrhundert. Statt ihm eine Kapelle zu bauen, gelobten die Schaaner, ihm und dem Heiligen Fabian zu Ehren auf alle Zeiten einen Bettag durchzuführen, wenn sie von der Krankheit verschont blieben. Sie wurden offenbar erhört, denn bis heute existiert dieser Bettag am 20. Januar, dem gemeinsamen Gedenktag der beiden Märtyrer und Todestag des Heiligen Fabian, der selbst kein eigentlicher Patron gegen die Pest ist.
Himmlischer Schutz
Der himmlische Schutz vor der Pest ist heute in Europa zwar kaum noch nötig. Aufgrund der medizinischen Erkenntnisse und Fortschritte der vergangenen Jahrhunderte lässt sie sich mit Antibiotika gut behandeln. Hygienische Entwicklungen haben ausserdem dazu geführt, dass sie in Industrieländern kaum noch auftritt. Dennoch wird der Bettag, dem Gelöbnis entsprechend, bis heute gehalten. 1984 hielt der damalige Schaaner Pfarrer Friedrich Kaiser im Pfarrblatt «In Christo» in diesem Zusammenhang fest: «Ein jahrhundertealtes Versprechen verpflichtet uns, den Tag der Heiligen Fabian und Sebastian als Bettag zu halten. Die Plage jener Zeit, die Pest, war der Grund zu diesem Gelöbnis. Zwar nicht mehr die Pest, dafür aber andere Sorgen bedrohen unsere Zeit. Grund genug zu beten; besonders aber für den Frieden unter den Menschen und unter den Völkern.»
Der Schaaner Bettag wird von den Schaaner Gläubigen jedes Jahr besonders begangen, aber auch jedes Jahr anders gehandhabt, je nachdem, auf welchen Wochentag er fällt. Eine Anbetung vor dem ausgesetzten Allerheiligsten findet, das alte Versprechen einlösend, bis heute statt. «Anschliessend wird die Heilige Messe gefeiert. In diesem Jahr besteht zusätzlich noch eine Beichtgelegenheit», sagt Kaplan Herbert Graf. Die Beteiligung der Gemeineschulen ist jedoch, Corona geschuldet, dieses Jahr nicht vorgesehen. Vor dem Ausbruch der Pandemie fand zuletzt jeweils ein Schülergottesdienst um 8 Uhr morgens statt.
Das Pestkappile und die Viehpest
Das Schaaner Pestkappile geht der Überlieferung nach auf das Jahr 1740 zurück, als im Rheintal wieder einmal die Pest gewütet haben soll. Im Oberland gab es zu jener Zeit nur die drei Pfarreien Balzers, Triesen und Schaan. Zum Kirchspiel Schaan gehörten auch Vaduz sowie seit der Einwanderung der Walser Planken und die Triesenberger Weiler Rotaboda, Fromahus und Prufatscheng. Weil die Bewohner des nördlichen Teils von Triesenberg aus Furcht vor der Seuche sonntags der Kirche fernblieben, gelobten sie, im Mühleholz ein Pestkappile zu errichten. Da die letzte Pestwelle, wie bereits erwähnt, allerdings für das Jahr 1689 überliefert ist, dürfte eher eine Viehseuche der Auslöser für den Bau des Kappiles gewesen sein. Ihr Versprechen lösten die Triesenberger aber auf jeden Fall ein. Über zwei Jahrhunderte später, 1971, wurde das Pestkappile wegen einer Strassenbegradigung von seinem Standort im Mühleholz an den heutigen Standort am Fürstenweg im Duxwald versetzt.
Bildnachweis Auftaktfoto: Landesarchiv, Foto Adolf Buck