«Wir haben den Anspruch, sinnvoll mit Licht umzugehen»
Die Gemeinde Schaan hat in Zusammenarbeit mit einem Lichtplanungsunternehmen einen Beleuchtungs-Masterplan für den gesamten Ortskern erarbeitet. Das übergeordnete Konzept zeigt auf, wo und an welchen Gebäuden lichttechnische Akzente Sinn ergeben und wie unnötige Strahlung vermieden wird. Hochbau-Leiterin Marion Risch erklärt, was es mit dem Thema Lichtverschmutzung auf sich hat.
Marion, was ist Lichtverschmutzung überhaupt? Wie kann Licht die Umwelt verschmutzen?
Jede Lichtquelle produziert Emissionen, und Emissionen beeinflussen Umwelt, Menschen und Tiere. Die Blendung, die durch Licht entsteht, streut in die Umgebung. Geschieht dies nachts in Ruhezonen, zieht es beispielsweise Insekten an, die nicht dorthin gehören. Zudem werden Wildtiere wie Vögel in ihrer Ruhephase gestört. Und wer selbst eine Strassenlaterne vor dem Fenster stehen hat oder neben einem überbeleuchteten Gebäude wohnt, weiss, dass Licht auch die Lebensqualität von Menschen beeinträchtigen kann. All dies umfasst der Begriff Lichtverschmutzung. Aber natürlich erfüllt Licht auch positive Funktionen, zum Beispiel wenn es Kontraste sichtbarer macht und so zur Sicherheit und Orientierung auf Strassen beiträgt. Es sind immer Nutzen und Mass entscheidend.
Man hat das Gefühl, dass früher kaum jemand von Lichtverschmutzung gesprochen hat und plötzlich das Thema überall aufpoppt. Wie lässt sich das erklären?
Das hat mit der zunehmend dichteren Besiedelung zu tun. Je mehr Gebäude und Strassen in Wohnquartieren beleuchtet sind, desto stärker beeinflusst das Licht Mensch und Tier. Die Erfahrung hat sicher jeder schon gemacht: In einer Stadt, in der alles rundherum beleuchtet ist, sieht man aufgrund der Lichtstreuung keinen Sternenhimmel mehr. Je weniger die Umgebung beleuchtet ist, desto sichtbarer werden die Sterne. Lange Zeit war das Thema schwammig geregelt, bis das Schweizer Bundesamt für Umwelt vor einiger Zeit entsprechende Richtlinien herausgegeben hat. In der Folge hat das Liechtensteiner Amt für Umwelt eine Sieben-Punkte-Checkliste erarbeitet, nach der es geplante Lichtprojekte prüft. Zu den Kriterien gehören zum Beispiel Notwendigkeit, Ausrichtung, Lichtlenkung, Lichtfarbe, Helligkeit oder Dauer. Die Diskussion darüber gab auch den Impuls, einen Beleuchtungs-Masterplan für das Zentrum von Schaan zu erstellen. Denn ursprünglich war es «nur» unsere Intention, die Beleuchtung rund um das Rathaus bewilligen zu lassen …
So wurde also aus einem Konzept für die neue Rathausbeleuchtung ein Beleuchtungs-Masterplan für den gesamten Ortskern?
So in etwa. In unserem Konzept hatten wir von Beginn an vorgesehen, die Rathausfassade von unten nach oben zu beleuchten. Aufgrund einer befürchteten Lichtstreuung in den Himmel stellte sich dieser Aspekt als Knackpunkt für das Amt für Umwelt heraus. Wir wurden gebeten, unsere Überlegungen dazu genauer auszuführen und bestenfalls ein übergreifendes Konzept zu erstellen. Da wir dies ebenfalls als sinnvoll erachteten, haben wir diesen Vorschlag gerne aufgenommen und gemeinsam mit dem Lichtplanungsunternehmen Lightsphere GmbH ein entsprechendes Arbeitspapier für einen Masterplan entworfen. Als Energiestadt hat Schaan eine Vorbildfunktion, und wir haben den Anspruch, mit Licht sinnvoll umzugehen. Im Rahmen der Abklärungen hat sich übrigens bestätigt, dass die Fassadenbeleuchtung des Rathauses keine Lichtstreuung in den Himmel generiert, da die Strahlen vom Vordach und den Fenstersimsen abgefangen werden. Der Beweis konnte durch einen Test mit provisorischen Leuchten erbracht werden.
Und wie war das Feedback des Amts für Umwelt auf den Entwurf?
Der Entwurf erhielt viel Lob. Offenbar ist Schaan die erste Gemeinde im Land, die dem Amt für Umwelt einen so detaillierten Beleuchtungs-Masterplan vorgelegt hat. Ich muss aber auch sagen: Je mehr wir uns damit beschäftigt haben, desto mehr ist uns die Wichtigkeit des Themas bewusst geworden – gerade für ländliche Gegenden wie unsere. Wenn wir die Natur als Teil unserer Lebensqualität schätzen, muss uns daran liegen, die Dunkelheit und Nachtruhe zu schützen.
Was sind die Kernaussagen des Masterplans?
Grundsätzlich zeigt er auf, wo und unter welchen Bedingungen Licht im Zentrum Sinn ergibt. Er beinhaltet Empfehlungen und Verhaltensanweisungen und informiert darüber, welche Leuchtmittel zur Reduktion der Lichtemission beitragen und am energieeffizientesten sind. Aktuell teilt das Konzept die Bauten im Zentrum in drei Kategorien ein: In der ersten befinden sich die öffentlichen Gebäude mit repräsentativem Charakter, wie beispielsweise die Kirche, das Rathaus oder der Bahnhof. Ihre Fassaden sollen abends in vertretbarem Ausmass beleuchtet werden. In die zweite Kategorie fallen die privaten Gebäude mit einer gewissen Bedeutung für die Allgemeinheit, wie Geschäfte oder Restaurants. Dort kann eine Beleuchtung im Erdgeschoss stattfinden, allerdings muss sie dezenter sein als in der ersten Kategorie. Und die dritte Kategorie umfasst schliesslich Privathäuser, welche den strengsten Auflagen unterliegen. Dort sollte sich die Beleuchtung auf den Eingangsbereich beschränken. Für alle Zonen wird zudem definiert, wie lange die Lichter abends eingeschaltet bleiben dürfen. Nachts soll Dunkelheit einkehren.
Was passiert mit der Beleuchtung an den Gebäuden, die diesen Vorgaben aktuell nicht entsprechen?
Bei bestehenden Beleuchtungen stellt sich die Frage, ob diese bewilligt sind. Die Kontrollstelle dafür ist aber das Amt für Umwelt, nicht die Gemeinde. Bei Zuwiderhandlungen liegt es folglich auch beim Land, entsprechende Massnahmen zu ergreifen. Für die Gemeinde Schaan dient der Masterplan vor allem als Richtlinie und Anhaltspunkt für die Beurteilung künftiger Baugesuche.
Was sind die nächsten Schritte in der Umsetzung des Masterplans?
Momentan sind wir an den letzten Anpassungen, damit der Masterplan für das Zentrumsgebiet noch in diesem Jahr in Kraft treten kann. In diesem Zusammenhang wird auch überprüft, ob es Auswirkungen auf bestehende Reglemente gibt, z.B. für den Umgang mit Leuchtreklamen. In einem nächsten Schritt gilt es dann, den Masterplan, der sich auf die Kernzone von Schaan beschränkt, auf die gesamte Gemeinde auszuweiten – inklusive Industriegebiet.
Wie sieht deine persönliche Zukunftsvision für das Thema «Licht» in Schaan aus?
Meine Vision ist die Erschaffung eines einheitlichen und dezenten Beleuchtungsszenarios im Zentrum von Schaan – ein Szenario, in dem Lichtfarbe und Helligkeit der beleuchteten Gebäude harmonisch aufeinander abgestimmt sind. Zudem wünsche ich mir, dass die Bevölkerung mehr für das Thema sensibilisiert wäre und jeder zur Verminderung der Lichtverschmutzung beiträgt. Vielleicht kommt uns bei der Umsetzung dieser Vision ja die drohende Energiekrise zu Hilfe. Sie zwingt uns alle zu einem Umdenken.
Stichwort «Sensibilisierung». Kannst du uns zum Abschluss ein paar Tipps mit auf den Weg geben, wie jeder von uns seinen Beitrag im Kampf gegen die Lichtverschmutzung leisten kann?
Am meisten erreichen wir, wenn wir uns bei jeder Lichtquelle die Frage stellen, ob sie wirklich notwendig und sinnvoll ist. Beeinträchtigt sie unsere Umwelt, unsere Tierwelt und unsere Mitmenschen? Die Beleuchtung eines Baumes mag vielleicht schön sein, aber was ist mit der Nachtruhe der Tiere, die darin Unterschlupf finden? Mit gesundem Menschenverstand erzielen wir die grössten Fortschritte.
Foto: Eddy Risch