
Serie Waldgeflüster: Der Schneehase – cool mit Schneeschuhen
Wie sein Name schon verrät, liebt der Schneehase den Winter. Er gehört zu den wenigen Arten, die perfekt an die harschen Bedingungen im alpinen Lebensraum angepasst sind. Nach langem Suchen haben wir eines der bestens getarnten Tiere entdeckt und im Gespräch mit ihm viel Interessantes erfahren dürfen.
Was für ein tolles weisses Fell du hast. Ist es nur schön oder auch praktisch?
Auf mein schneeweisses Winterkleid bin ich wirklich stolz – und das nicht nur aufgrund der tollen Optik. Einerseits bin ich damit im Schnee perfekt gegen meine Feinde getarnt, anderseits schützt es mich super gegen die Kälte. Denn meine weissen Haare – die längeren Grannenhaare – sind mit Luft gefüllt und isolieren optimal, wenn die Temperaturen fallen. Einzig meine Ohrspitzen bleiben im Winter schwarz und erinnern an mein dunkleres, graubraunes Fell, das ich im Sommer trage. Um mich den Jahreszeiten anzupassen, wechsle ich übrigens dreimal jährlich mein Fell. Im Frühling bin ich zum Beispiel im gescheckten Outfit unterwegs. Mein Fell ist meine beste Tarnung. Deshalb bekommen mich die Menschen auch fast nie zu Gesicht.
Was unterscheidet dich neben dem Fell sonst noch von deinem Cousin, dem Feldhasen?
Zum einen unser Lebensraum. Während mein Cousin Feldhase mehr im Tal lebt, fühle ich mich in den Bergen auf über 1300 Metern über dem Meer am wohlsten. Dann bin ich mit meinen rund drei Kilo Gewicht etwas kleiner. Diese Kompaktheit, zu der auch meine kürzeren Beine sowie meine kleineren Ohren und mein kürzerer Schwanz gehören, wirken sich günstig auf den Energiehaushalt aus. So verliere ich weniger Körperwärme, was bei Minustemperaturen überlebenswichtig ist. Dafür verfüge ich im Vergleich zum Feldhase über deutlich breitere, behaartere Pfoten. In Kombination mit den gespreizten Zehen funktionieren sie wie Schneeschuhe. Mit ihnen kann ich, ohne einzusinken, über den Schnee hoppeln. Ihr seht: Ich bin perfekt an die harten Winterbedingungen in den Bergen angepasst.
Wo hältst du dich am liebsten auf und welche Speisen findest du dort?
Ich bevorzuge offenes beziehungsweise halboffenes Gelände. Die Baumgrenze ist ideal. Dort finde ich ausreichend Nahrung, kann mich aber auch schnell verstecken, wenn Gefahr droht. Im Sommer stehen hauptsächlich Gräser, Kräuter und Beeren auf meinem Speiseplan, während ich mich im Winter von Baumrinden, Zweigen, Trieben, Knospen und auch Fichtennadeln ernähre.
Wie wohnst du und wo ziehst du deine Kinder gross?
Ich grabe keine Erdbauten, sondern ruhe mich tagsüber versteckt unter Büschen, Wurzelstöcken oder Steinhaufen aus. Und im Winter buddle ich mich gern wie in einem Iglu im Schnee ein, so bin ich unsichtbar für die Aussenwelt. Ich habe kein festes Zuhause – auch nicht, wenn ich Junge habe, was zwei- bis dreimal im Jahr vorkommen kann. Meine Babys sind übrigens Nestflüchter. Das heisst, dass sie bereits bei der Geburt sehen können und Fell haben. Nachdem ich sie an einem geschützten Ort zur Welt gebracht habe, besuche sie nur noch einmal täglich, um sie zu säugen. Damit errege ich bei den Beutegreifern keine Aufmerksamkeit. Hilfreich dafür ist auch, dass die Jungen über keinerlei Eigengeruch verfügen. Nach rund fünf Wochen sind die Jungtiere dann auf sich allein gestellt.
Du sprichst immer wieder deine Feinde an. Wer gehört denn dazu?
Leider habe ich sehr viele Feinde. Dazu gehören der Steinadler, der Uhu, der Luchs und der Fuchs. Aber auch Rabenkrähen sind natürliche Fressfeinde. Um möglichst wenigen von ihnen zu begegnen, bin ich vorsorglich nur am Abend und in der Nacht unterwegs, während ich tagsüber gemütlich in meinem Versteck döse. Ich trickse meine Feinde auch gerne aus, indem ich in meiner eigenen Schneespur zurückhopple und dann seitlich wegspringe. Das verwirrt Fuchs und Luchs immer komplett, und wenn ich Glück habe, verlieren sie dadurch die Fährte. Leider gehört auch der Mensch zu meinen Feinden – nicht, weil er mich jagt, sondern weil er durch seine Lebensweise die Klimaerwärmung fördert. Da ich keine hohen Temperaturen vertrage, werde ich in immer höhere Lagen verdrängt. Auch setzt der zunehmende Wintertourismus uns Schneehasen zu. In Schaan ist das zum Glück nicht so schlimm, aber auch hier können mich Schneeschuhwanderer, die abseits der Wege unterwegs sind, in meiner lebensnotwendigen Ruhephase aufschrecken. Deshalb würde ich es sehr schätzen, wenn die Menschen künftig noch mehr Rücksicht auf uns Wildtiere nähmen.
Grafik: Walser Grafik Est.