
Es kreucht und fleucht … nur Beweisfotos gibt’s (fast) keine
Mittwochnachmittag, das Thermometer kratzt an der 34-Grad-Marke. Die Räder stehen bereit. Das Vorhaben: Gemeinsam mit dem Förster ein paar Biotope abklappern, prüfen, welche Tiere sich bereits angesiedelt haben und daraus eine Fotostory kreieren. Die Realität: Der Schweiss trübt die Sicht, ein Sonnenstich droht und die Handykamera – bzw. die Nutzerin dahinter – ist viel zu langsam für tolle Schnappschüsse der kleinen Biotopbewohner. Einblick in einen Nachmittag, der nicht ganz nach Plan verlief.
Vorweg: Es lag nicht an der Tierwelt, dass das Biotop-Fotoprojekt scheiterte. Denn die Tierchen waren da und posierten sogar. Leider nur nicht lange genug, dass das Handy gezückt, entriegelt, die Kamera eingeschaltet und abgedrückt werden konnte. Es ist also allein dem Unvermögen der Handynutzerin, also meiner Wenigkeit, anzulasten, dass dieser Text nicht von einer schönen Fotogalerie begleitet wird ... Jaaaa, schon klar, weiss doch jeder, dass ein Handy – noch dazu bedient von einer Amateurin – keinen Fotografen ersetzt, der sich auf solche «Extremsituationen» spezialisiert hat. Ihr habt ja recht. Absolut recht sogar.
Doch von Anfang an: Topmotiviert machen sich also Förster Gerhard Konrad und ich am besagten Mittwochnachmittag auf unseren Drahteseln auf zu unserem ersten Ziel, dem Biotop, das die Gemeinde Schaan 2021 auf dem alten Kieswerkareal angelegt hat. Es ist nicht zu verfehlen, wenn man von der Jugendherberge Schaan-Vaduz den direkten Weg Richtung Rheindamm einschlägt, und es ist wunderschön. Auf dem dort deponierten Rüfeschlamm wurde mit Steinhaufen, Wurzelstöcken, Lehmwänden, Wasserflächen und Sträuchergürteln ein wahres Paradies für Amphibien, Reptilien, Insekten und Kleinsäuger erschaffen. Wo man auch hinblickt, überall kreucht und fleucht es.
Kaum vom Rad abgestiegen, summen uns schon die ersten blauen und roten Libellen um die Nase. Märchenhaft schön sehen sie aus, wenn die Sonne ihre Farbe leuchten lässt. Und als märchenhaft flüchtig erweisen sie sich, als ich sie fotografieren möchte. Ein Ding der Unmöglichkeit. Egal, ich erfreue mich an ihrem Anblick und wende mich dann den «bodenständigeren» Tierchen zu, wie zum Beispiel einer Erdkröte, die auf einem kleinen Erdhügel zwischen den Gräsern sitzt. Beziehungsweise, die gemäss meinem Begleiter dort sitzt. Denn ich sehe sie nicht. «Da! Schau! Genau vor deinen Füssen», flüstert Förster Gerhard Konrad. «Mach ein Foto!» Noch so gerne, aber wo ist sie? Mit ihrer bräunlichen Farbe ist sie einfach zu gut getarnt. Oder es liegt an den Schweissperlen, die erbarmungslos in meine Augen tropfen und meine Sicht trüben. «Da! Genau vor deiner Nase!» Von Ungeduld und Unglauben getrieben, ergreift Gerhard einen Stock, um damit auf das Exemplar zu deuten. «Ja, jetzt habe ich sie entdeckt!», rufe ich erfreut und offenbar zu laut … denn mit drei grossen Sprüngen hüpft die Kröte ins dichte Gebüsch. Fort! Weg! Chance verpasst!
Enttäuscht geht es weiter. Der Förster geht rechts um den kleinen Weiher herum, ich gehe links. Für einen winzigen Augenblick erhasche ich einen Blick auf einen Igel, ehe auch dieser im Schutze des Gebüschs verschwindet. Was er bei dieser Hitze unter freiem Himmel macht, ist mir ein Rätsel. Vielleicht war er einfach neugierig auf diese «Deppin», die da so ungeschickt durch sein Revier stolpert.
Trotz der verpassten Gelegenheiten finde ich es toll, und ich bekomme grosse Lust, mich irgendwo ins Gras plumpsen und einfach nur die Natur auf mich wirken zu lassen. Doch alles zu seiner Zeit, heute gilt es eine Mission zu erfüllen: Tiere sichten. Das Ergebnis der ersten Biotop-Besichtigung ist jedenfalls schon mal beachtlich: Neben den Libellen, der Erdkröte und dem Igel kreuzen diverse Schmetterlinge, Wildbienen, ein Grasfrosch und eine Gelbbauchunke unseren Weg. Und von den Wildbienen und der Gelbbauchunke gibt es sogar Fotos – wenn auch keine guten. J
Weiter geht’s zum nächsten Biotop, das die Gemeinde im Zuge der Aufwertung des Dorfeingangs von Westen her erstellt hat. Die Stein- und Holzhaufen entlang der Zollstrasse dienen als gemütliche Wohnquartiere für unsere kleinen Freunde. Und die Begeisterung ist gross, als wir gleich zwei Eidechsen entdecken, die auf den Steinen ein Sonnenbad nehmen. «Pass auf, dass du keinen Schatten auf sie wirfst», mahnt mich der Förster. «Dann sind sie schneller weg, als du schauen kannst. Das ist eine Schutzfunktion, um den Fängen von Raubvögeln zu entkommen.» Kaum ausgesprochen, schwups, sind die Eidechsen auch schon weg. Offenbar ist mein Schatten, den ich mit meiner bescheidenen Körpergrösse werfe, grösser, als ich gedacht hatte. Dennoch freue ich mich, weil ich zu dem Zeitpunkt noch im Irrglauben bin, dass ich ein Foto von den Tierchen schiessen konnte. Im Nachhinein werde ich feststellen: Meine Zoom-Funktion hat versagt. Das Foto kann maximal als Suchbild genutzt werden. Ich bilde mir ein, die Schmetterlinge, die so fröhlich um mich herumflattern, kichern zu hören.
Auf dem Weg zu den Kleintierhotels am Rietsträssle ziehen mich zehn imposante Störche in ihren Bann, die sich auf einem Feld niedergelassen habe. Sie zu fotografieren, gelingt mir zwar – aber eigentlich gehören diese beachtlichen Vögel ja zu den Erzfeinden unserer Biotopbewohner. Frösche, Mäuse, Eidechsen und anderes Getier müssen sich gehörig vor ihnen in Acht nehmen. Deshalb darf ich ihrem Charme heute nicht verfallen. Dieser Tag gehört allein den Biotop-Bewohnern! Also, hopp aufs Rad und weiter!
Bei den Kleintierhotels angelangt, sticht mir sogleich eine hübsche Wabe ins Auge, an der sich mehrere Wespen tummeln. Das ist echte Kunst am Bau! Ich gehe näher ran, und näher, und ... «Aaaaaaangriff!» Eine der Wespen fliegt sichtlich zornig auf mich los. Zurecht! Wer hat schon gerne ungebetene Gäste mitten in seinem Vorgarten stehen. Und für einmal bin ich diejenige, die schneller verschwindet, als andere schauen können. Zum Glück war es nur ein Drohangriff, um mich zu verjagen. Das ist der Wespe gelungen. Nachdem mich Gerhard ordentlich ausgelacht hat, erzählt er mir, dass er bei seinem letzten Besuch eine Ringelnatter bei den Kleintierhotels entdeckt hat. Das Vergnügen, sie während unseres Ausflugs zu sichten, ist mir jedoch nicht gegönnt.
Verschwitzt, mit rotem Kopf und leichtem Sonnenbrand geht’s schliesslich wieder zurück Richtung Rathaus – mit einem letzten Zwischenstopp bei den Biotopen des Werkhofs. Trotz der Hitze, der zahlreichen Mückenstiche und der Enttäuschung, keine guten Bilder von den Amphibien, Reptilien und Kleinsäugern geschossen zu haben, war es ein toller Ausflug. Die Biotope gehören der Natur – nicht den Menschen. Und ihre Bewohner haben alles Recht der Welt, uns Zweibeiner zu meiden. Ich finde jedes Tier für sich wunderbar und kann nur jedem empfehlen, sich die grünen Oasen, die überall in der Gemeinde verteilt sind, einmal näher anzusehen. Mit mehr Zeit. Mit mehr Geduld. Eventuell mit einer besseren Fotoausrüstung. Und vor allem bei kühleren Temperaturen.
Im Folgenden ein paar (miserabel fotografierte) Eindrücke von der Fahrradtour. Dann noch einige viel bessere Fotos, die Förster Gerhard an einem anderen Tag im Kleinbiotop im Gamander geschossen hat. Und ein einziges wirklich professionelles Foto – das Auftaktfoto von Eddy Risch.
Und HIER geht´s zum Plakat "Amphibien und Reptilien im Alpenrheintal", das in der Winterausgabe der WaldZeitung 2021/22 erschienen ist. Die Ausgabe ist eine Gemeinschaftsproduktion vom Waldverein Vorarlberg und dem Liechtensteiner Forstverein.