«Einfach machen, statt immer nur reden»
Er ist 22 Jahre jung und steht kurz vor dem Bachelorabschluss in Landschaftsarchitektur: Linus Nigsch, der die vergangenen Monate im Rahmen eines Auslandssemesters in Brisbane, Australien, verbracht hat, während sich in Schaan sein Projekt einer biodiversen Blumenwiese entwickelte. Die Gemeinde, der die Biodiversität ebenfalls ein grosses Anliegen ist, hat ihn dabei unterstützt.
Was hat dich bewogen, das Projekt «Umgestaltung einer Wiese» anzugehen?
Linus Nigsch: Auf die konkrete Idee dazu hat mich Walter Frick während eines Gesprächs über die Artenvielfalt und Biodiversität in Liechtenstein gebracht. Ich habe ihm von meinem Landschaftsarchitekturstudium erzählt, und wir merkten schnell, dass wir mit der Natur und ihrem Wohlergehen ein gemeinsames Interesse haben. Während dieses Gesprächs entstand dann die Idee für ein eigenes Projekt zur Förderung der lokalen Biodiversität. Im Studium lernen wir im Prinzip alles, was für den Erhalt der Artenvielfalt und für die Förderung der Biodiversität notwendig ist. Was mir aber bisher immer gefehlt hat, war die praktische Umsetzung dieser theoretischen Massnahmen. Die artenarme, nur selten gepflegte Wiese neben unserem Haus schien das perfekte Versuchsobjekt dafür zu sein. Ganz nach dem Motto: «Einfach machen, statt immer nur darüber zu reden!»
Welche Ziele hattest du dir konkret gesetzt?
Das Hauptziel war, die Wiese ökologisch aufzuwerten und mehr Vielfalt zu schaffen. Denn je grösser die Vielfalt an Arten ist, desto widerstandsfähiger sind Ökosysteme gegenüber Störungen und Veränderungen. Ausserdem können artenreiche Freiflächen als wichtige ökologische Trittsteine im immer dichter werdenden Siedlungsraum funktionieren. Bis anhin war die Wiese sehr nährstoffreich, und Gräser dominierten die Fläche. Die Artenvielfalt war daher gering, bunte Blumen suchte man vergeblich. Die Wiese bot weder der Natur noch dem Betrachter einen Mehrwert. Ich wollte sie bunt und lebendig gestalten. Zusätzlich sollten Strukturelemente wie Steinhaufen, Sandlinsen, Totholz und Wurzelstöcke die Wiese ergänzen. Diese bieten Schutz und Rückzugsmöglichkeiten für Lebewesen. Eine natürliche Senke im unteren Bereich sollte sich bei längeren Regenfällen mit Wasser füllen können und so die Funktion eines temporären Biotops übernehmen. Die ehemals monotone Wiese sollte so zu einer reichen Nahrungsquelle und einem strukturreichen Lebensraum für zahlreiche Insekten, Vögel und andere Tierarten werden.
Wann hast du mit der Umsetzung begonnen?
Die Projektidee war Mitte April 2023 entstanden. Ende April habe ich die Gemeinde um die Erlaubnis zur Umsetzung gebeten, da es sich bei der rund 300 Quadratmeter grossen Fläche um eine Gemeindeparzelle handelt. Nach der Zustimmung habe ich Anfang Juni 2023 zusammen mit einigen Freunden mit der Umgestaltung der Wiese begonnen.
Welche Arbeitsschritte hast du unternommen?
Um eine artenarme Fettwiese in eine artenreiche Magerwiese umzuwandeln, müssen dem Boden die Nährstoffe entzogen werden. Viele Wildblumen sind auf raue, harsche Bedingungen angewiesen und können sich auf nährstoffreichen Böden nicht gegen konkurrenzstarke Arten wie Gräser durchsetzen. Diese dominieren nach und nach, und spezialisierte Arten werden verdrängt. Die Wiese musste also abgemagert werden. Nach dem Mähen haben wir den Oberboden mitsamt der Grasnarbe abgetragen und eine saubere humose Oberfläche geschaffen. Um eine Bodenverdichtung durch die Maschinen zu vermeiden, haben wir den Boden immer wieder mit einer Fräse gelockert. Anschliessend wurden eine Schicht Schotter und eine Schicht Sand, beides mineralische Materialien ohne Nährstoffe, ausgebracht und gleichmässig verteilt. Mit der Bodenfräse haben wir die Materialschichten nochmals durchmischt und ausgeebnet und anschliessend die so präparierte Fläche gleichmässig von Hand angesät. Die Saatmischung besteht aus 55 einheimischen Wildblumen und Wildgräsern. Durch dieses breite Artenspektrum passt sie sich dem Standort an. Um den Bodenkontakt der Samen zu gewährleisten, haben wir die Fläche noch angewalzt. Danach hiess es: geduldig abwarten und beobachten, wie sich das Ganze entwickelt. Die Fläche durfte dabei weder bewässert noch gedüngt werden. Künftig erfolgt nur noch eine extensive Pflege mit zwei Heuschnitten pro Jahr.
Wie gross war der Arbeitsaufwand?
Die eigentliche Arbeit ohne die Vorbereitung nahm vier Wochenenden in Anspruch. Ohne die Bereitstellung der Maschinen und die tatkräftige Hilfe meiner Freunde wäre die Umsetzung in so kurzer Zeit aber nicht möglich gewesen.
Und der finanzielle Aufwand?
Mir als Student wurde schnell klar, dass ich für die Umsetzung auf eine finanzielle Unterstützung angewiesen bin – vor allem für die Mengen an Kies und Sand, die für eine Fläche von etwa 300 Quadratmetern und den Transport. Dabei war die Gemeinde sehr entgegenkommend und hat die Kosten übernommen. Die Maschinen zur Bearbeitung der Fläche konnte ich glücklicherweise privat organisieren.
Wie zufrieden bist du mit der Entwicklung «deiner» Wiese?
Das Projekt entwickelte sich zu meiner Freude sehr gut, obwohl eine Magerwiese im Aussaatjahr nie wirklich schön aussieht. Es wächst dann viel Unkraut, und die Fläche ist noch nicht vollständig bedeckt. Nun, im zweiten Jahr, blühen schon die ersten bunten Blumen, und Bienen sowie Schmetterlinge freuen sich über das reichhaltige Blütenangebot. Über mein erstes eigenes Projekt bin ich wirklich sehr glücklich und auch stolz, meine Ziele erreicht zu haben. Es hat unglaublich viel Spass gemacht, und es war auch einfach toll, ein gemeinsames Sommerprojekt mit Freunden umzusetzen, die alle motiviert mitangepackt haben.
Wie geht es mit der Wiese nun weiter?
Eine artenreiche Blumenwiese entwickelt sich über mehrere Jahre. Langsam wachsende, gefährdete Arten, die auf die nährstoffarmen Bedingungen spezialisiert sind, sollen sich etablieren. Durch die extensive Pflege können die Wildblumen ausblühen und sich weiter aussäen. Dadurch wird die biologische Vielfalt gefördert, und die Wiese wird in Zukunft noch üppiger blühen. Die Pflanzengesellschaften werden sich im Laufe der Zeit wahrscheinlich auch wieder verändern, da sich die Arten untereinander konkurrieren und unterschiedlich auf Umweltbedingungen reagieren. Mit zunehmendem Alter wird die Artenvielfalt jedoch weiter steigen und die ökologische Komplexität des Ökosystems zunehmen.
Fotos: Linus Nigsch (Bilder der Projektumsetzung; ist links auf dem Auftaktfoto zu sehen) / Brigitt Risch (Blumenwiese)
FILMPRÄSENTATION BEIM FORSTWERKHOF
Feuer, Erde, Wasser, Luft: Biodiversität im Film
Was die Gemeinde Schaan in Sachen Naturvielfalt alles unternimmt, kann die Bevölkerung in einigen Wochen in vier Kurzfilmen erfahren, die sich anhand der vier Elemente unterschiedlichsten Aspekten der Biodiversitätsförderung widmen. In diesem Rahmen kommen Fach- und Privatpersonen aus verschiedenen Bereichen zu Wort, die sich besonders stark engagieren. Die Filmreihe wird am Samstag, 24. August, um 16.30 Uhr beim Forstwerkhof gezeigt - mit anschliessendem Apéro. Um Foodwaste zu vermeiden, wird um Anmeldung gebeten unter
.Hier geht´s zum Flyer.