Wohin mit dem Rüfeschlamm? Ein Projekt, drei Lösungen
Die starken Niederschläge im vergangenen Spätsommer haben dazu geführt, dass die Schlammsammler der Schaaner Rüfen sowie der Vaduzer Mühleholzrüfe beinahe komplett gefüllt sind. Dies muss sich bis zum Frühsommer 2024 ändern, um Speichervolumen freizumachen. Die Verantwortlichen haben daher ein Konzept ausgearbeitet, das nicht nur für Platz sorgt, sondern auch die Fruchtbarkeit von Landwirtschaftsboden und die Stabilität des Rheindamms fördert.
«Ein Ereignis dieser Grössenordnung haben wir selten», sagte der Schaaner Gemeindeförster und Rüfemeister Gerhard Konrad im Anschluss an die Gewitter, die sich Ende August 2023 über Liechtenstein entladen haben. «Wir konnten dafür sorgen, dass die Rüfen die Schlammmassen bewältigen konnten. Doch nun gilt es, das Geschiebe aus den fast randvollen Schlammsammlern zu entfernen, um für den Sommer 2024 und allfällige Gewitter und Murgänge wieder gerüstet zu sei.» Die Zeit über den Winter nutzten die Zuständigen der Gemeinde und das Amt für Bevölkerugnsschutz (ABS), um eine möglichst gute Verwendung für die über 30’000 Kubikmeter Rüfeschlamm zu suchen. «Diesen in einer Deponie zu lagern, wäre unsinnig, da es einerseits das beschränkte Deponievolumen erheblich belasten würde, aber andererseits auch, da es sich bei diesem Schlamm im getrockneten Zustand um fruchtbares Bodenmaterial handelt», sagt Gerhard Konrad. So beriet er sich mit Elmar Ritter, Leiter Wasserbau beim ABS, und Martin Hilti vom zurate gezogenen Ingenieurbüro Konrad. Nach vorausgegangenen bodenkundlichen Abklärungen fanden sie gemeinsam im rheinnahen Bereich zwischen Under Rüttigass und Wiesengass eine Lösung, mit der gleich mehrere Herausforderungen bewältigt werden können. Am 11. März beginnen die Arbeiten, die bis Mitte Juni insbesondere durch den Transport des Schlamms für gewisse Einschränkungen im Dorfgebiet und den angrenzenden Naherholungsgebieten sorgen werden.
17‘000 Kubikmeter Boden werden abgetragen …
«Das Projekt, das wir ausgearbeitet haben, sieht vor, den Schlamm aus den Sammlern der Forst-, der Gamander-, der Kröppel- und der Quaderrüfe sowie den beiden Sammlern der Vaduzer Mühleholzrüfe zwischen Binnen- und Rheindamm im Gebiet von der Under Rüttigass bis fast zur Wiesengass aufzulanden», sagt Gerhard Konrad. Doch dabei geht es nicht um ein reines Verlagern des Materials. Die Gemeinde erzielt damit einen doppelten Mehrwert.
«Zum einen geht es um die Aufwertung des Landwirtschaftsbodens westlich des Binnendamms, der damit fruchtbarer gemacht wird, zum anderen ist der dortige Abschnitt des Rheindamms sanierungsbedürftig. Dementsprechend nutzt das Amt für Bevölkerungsschutz, das derzeit an der Ertüchtigung der gesamten 26 Kilometer langen Strecke des Liechtensteiner Rheindamms arbeitet, die Gelegenheit, diese Etappe vorzuziehen», erklärt Martin Hilti. Neben der Verbesserung der Bodenqualität war dies der ausschlaggebende Grund, warum sich der Schaaner Gemeinderat am 17. Januar 2024 dafür entschieden hat, das Projekt zu befürworten und das notwendige Eingriffsverfahren einzuleiten.
Das zuständige Amt für Umwelt hat im Februar grünes Licht gegeben, sodass die Arbeiten voraussichtlich Mitte März beginnen können. Zunächst wird der Ober- und Unterboden im betreffenden Gebiet abgetragen und am westlichen Ende der Wiesengass bei der Einmündung zum St. Johanner-Weg gelagert. Insgesamt handelt es sich um rund 17‘000 Kubikmeter Ackerboden. Dieser erste Arbeitsschritt dient der Vorbereitung auf die spätere Schlammauflandung. Ist der Ackerboden abgetragen, werden Werkpisten aus Rüfekies auf dem Projektareal angelegt, um das Schlammmaterial speditiv antransportieren zu können.
… und 30‘000 Kubikmeter Schlamm zugeführt
Die weiteren Arbeiten betreffen die Bevölkerung insofern, dass je nach Rüfe, deren Schlammsammler gerade geleert wird, eine unterschiedliche Anzahl LKW-Ladungen durch verschiedene Dorfquartiere Richtung Rhein fahren. Dies zieht ein erhöhtes Verkehrsaufkommen von bis zu sieben LKW pro Stunde nach sich und kann zu Verschmutzungen auf den Strassen führen. Ausserdem kommt es für Spaziergängerinnen und Spaziergänger auf beliebten Wegen rund um den Binnendamm zu Behinderungen. Der Binnendamm selbst bleibt während der gesamten Bauphase auf dem Abschnitt Under Rüttigass bis Wiesengass gesperrt. Die Gemeinde Schaan informiert auf ihrer Website und den Social-Media-Kanälen stets aktuell über die betroffenen Strassen und Wege.
Sind die über 30‘000 Kubikmeter Schlamm aus den Sammlern zwischen Rhein- und Binnendamm abgelagert, wird sich das Bodenniveau um rund zwei Meter erhöhen. Sobald der Schlamm trocken genug ist, voraussichtlich im Herbst, wird der Ackerboden von seinem Lagerplatz wieder zurücktransportiert. Nachdem der Unterboden mit dem Schlammmaterial vermischt worden ist, folgt der Oberboden als abschliessende Schicht. «Der Boden in diesem landwirtschaftlich genutzten Bereich ist anschliessend nicht mehr so sandig wie zuvor, kann mehr Wasser speichern und wird dadurch fruchtbarer», sagt der zuständige Bauleiter Benjamin Lind.
Zu den Kosten erklärt Gerhard Konrad: «Für die Rüfen und die Rheindämme ist das Land zuständig. Deshalb trägt es die Kosten für den Schlammtransport und für die Rheindammsanierung. Für die Schlammablagerungen sind die Gemeinden Schaan und Vaduz verantwortlich.» Dieser Zusammenschluss über die Gemeindegrenzen ist nicht nur zielführend, um alle betroffenen Sammler zu leeren, sondern auch, weil eine gewisse Menge an Schlamm benötigt wird, um das Projekt sinnvoll umzusetzen. «Gleichzeitig beschäftigen wir uns schon heute mit der Ausarbeitung einer Lösung, um für künftige Ereignisse in ähnlichem Ausmass wie 2023 gerüstet zu sein», erklärt der Rüfemeister. «Wenn im Vorfeld feststeht, wo wir grosse Mengen Rüfeschlamm ablagern können, gewinnen wir wertvolle Zeit und können auch kurzfristig auf Extremvorfälle reagieren.»
Drohnenfoto: Daniel Schierscher