«Unsere Aufgaben sind informieren, koordinieren und helfen»
Alle hoffen, dass es nie dazu kommen wird, dennoch kann eine Überschwemmung, ein Erdrutsch oder eine andere Katastrophe nie ganz ausgeschlossen werden. Welche Aufgabe dem Gemeindeschutz in solch einem Ereignisfall zukommt, erklärt der Schaaner Koordinationsleiter Markus Beck im Interview.
Der landesweit neu aufgestellte Gemeindeschutz besteht pro Gemeinde aus zwei Koordinationspersonen und den jeweiligen Einsatzteams. Im Jahr 2021 hast du die die leitende Koordinationsfunktion für Schaan übernommen. An deiner Seite steht dein Stellvertreter Walter Rohrer. Was hat dich an dieser Verantwortung gereizt?
Ich wurde direkt von der Gemeinde angefragt und musste nicht lange überlegen. Der Gemeindeschutz löst das bisherige Konzept vom Zivilschutz ab, das es in unserer Gemeinde schon länger nicht mehr gibt. Es ist ein sehr spannendes Projekt. Ich habe 23 Jahre bei der Landespolizei gearbeitet und blicke auf 16 Jahre Erfahrung bei der Feuerwehr zurück – das Thema Sicherheit liegt mir also grundsätzlich sehr nah. Ich würde sagen, es ist eine Herzensangelegenheit für mich.
Neben dem Gemeindeschutz gibt es noch weitere Organisationen, die im Notfall zum Einsatz kommen – konkret der Landesführungsstab und die Führungsorgane der Gemeinden, kurz FOG. Wer kommt wann zum Zug?
Während der Landesführungsstab in der Hierarchie oberhalb den FOG steht, sind diese uns übergeordnet. Das bedeutet: Wir handeln bei sicherheitsrelevanten Ereignissen im Auftrag der FOG und übernehmen lokale Leistungen zum Schutz und Wohl der Bevölkerung. Zudem können wir von der Gemeindevorstehung aufgeboten werden und im äussersten Notfall, wenn nichts mehr geht, auch eigenständig aktiv werden.
Was wären Beispiele für sicherheitsrelevante Ereignisse?
Naturereignisse wie Hochwasser mit Überschwemmungen oder Rüfen- und Hangrutsche, Wald- oder Dorfbrände, von denen Wohnquartiere betroffen sind. Auch ein Ausfall der Stromversorgung und der Ausfall der Informations- und Kommunikationsinfrastruktur sind ein denkbares Szenario.
Als Koordinationsverantwortlicher von Schaan warst du Teil der Fachgruppe Gemeindeschutz, die unter der Leitung des Amts für Bevölkerungsschutz ein für alle Gemeinden gültiges Reglement erarbeitet hat. Der Gemeinderat hat dieses im Januar genehmigt. Welche Leistungsaufträge sind darin konkret definiert?
Der Gemeindeschutz hat vier Leistungsaufträge zu erfüllen: Erstens gilt es, die Notfalltreffpunkte zu betreiben, zweitens, allfällige Evakuierungen zu organisieren, drittens, für die Verpflegung der Betroffenen und der Einsatzteams zu sorgen, sowie viertens, entsprechende Notunterkünfte bereitzustellen und diese zu betreuen. Für jeden dieser Leistungsaufträge arbeiten wir ein separates Konzept aus. Dasjenige zu den Notfalltreffpunkten ist beinahe abgeschlossen. Wir warten nur noch die Eröffnung der Treffpunkte am 1. Februar sowie die erste Übung im Frühling ab, um allfällige Anpassungen vornehmen zu können. Auch das Konzept für die Evakuierungen wird noch in diesem Jahr fertiggestellt. Die Umsetzung der beiden verbleibenden Leistungsaufträge ist dann für 2024 geplant.
Stichwort Notfalltreffpunkte. In Schaan wird es zwei davon geben – eine Hauptanlaufstelle im domus/Rathaus und einen Ausweichtreffpunkt im GZ Resch. Der Treffpunkt im domus wird am 1. Februar von 16 bis 19 Uhr auch für Interessierte offenstehen. Auf welche Hilfe kann die Bevölkerung dort im Ernstfall zählen?
Der Notfalltreffpunkt ist im Ereignisfall eine 24-Stunden-Anlaufstelle für die Bevölkerung. Sei erhält dort Informationen über die aktuelle Lage. Zusätzlich sorgen wir dafür, dass wichtige Notrufe und Hilfebegehren abgesetzt werden können und die Erste Hilfe gewährleistet ist. Unsere vornehmlichen Aufgaben sind informieren, koordinieren und helfen. Wann immer eine Person nicht weiterweiss, kann sie sich an den Notfalltreffpunkt wenden. Ein Beispiel: Fällt der Strom und damit das Festnetztelefon aus und ein Familienmitglied hat zu Hause einen medizinischen Notfall, kann dies bei uns gemeldet werden. Über den Polycom-Funk sind wir mit dem FOG sowie mit der Landesnotruf- und Einsatzzentrale der Landespolizei in Kontakt und können eine entsprechende Alarmierung auslösen. Ist ein grosser Anteil der Gemeinde vom Ereignis betroffen, können wir die Menschen auch ausserhalb des domus für eine öffentliche Information versammeln. Wann eine solche Information stattfindet, erfahren die Menschen über das Radio – sofern es noch funktioniert. Um vom Strom unabhängig zu sein, empfehlen wir deshalb auch allen die Anschaffung eines batteriebetriebenen Radios oder Kurbelradios.
Und wann wird der Reserve-Nottreffpunkt im GZ Resch aktiviert?
Beispielsweise wenn im Falle von Hochwasser die Räumlichkeiten im domus/Rathaus in Mitleidenschaft gezogen wurden. Oder auch, wenn der Ansturm aus der Bevölkerung zu gross ist. Das komplette benötigte Material haben wir doppelt, und es ist an beiden Lokalitäten deponiert.
Kommen wir zum nächsten Leistungsauftrag, den Evakuierungen. Diese können je nach Ereignis sehr schwierig sein. Welche Aufgaben kommen dabei dem Gemeindeschutz zu?
Der Gemeindeschutz ist nicht dafür ausgebildet, Menschen aus Erdrutschen auszubuddeln. Diesen Teil der Evakuierungen müssen die entsprechenden Fachleute übernehmen. Unsere Aufgabe wird es sein, die betroffenen Leute vom Schadenplatz zum Notfalltreffpunkt oder zur Notunterkunft zu transportieren. Aber wie bereits erwähnt, dieses Konzept ist noch nicht abgeschlossen.
Je nachdem stehen die Menschen vor dem Nichts, wenn ihr Haus verschüttet oder überflutet wird. In diesem Fall kümmert ihr euch gemäss den beiden verbleibenden Leistungsaufträgen um die entsprechenden Notunterkünfte, die Verpflegung und die Betreuung …
Richtig. Diese Leistungsaufträge hängen eng zusammen, müssen aber noch ausgearbeitet werden. Für Notunterkünfte geeignet wären sicherlich die Räumlichkeiten im SAL oder im GZ Resch. Dort besteht einerseits eine unmittelbare Nähe zu den Notfalltreffpunkten, andererseits sind bereits Kochmöglichkeiten und sanitäre Anlagen vorhanden. Bezüglich der Verpflegung werden wir voraussichtlich mit Partnern wie Restaurants und Lebensmittelgeschäften zusammenarbeiten. In welcher Form das geschieht, ist aktuell noch nicht definiert.
Der Gemeindeschutz kann nur funktionieren, wenn das Einsatzteam entsprechend gut eingespielt ist. Wie wird dieses organisiert?
Pro Leistungsauftrag wird es ein Einsatzteam geben – mit jeweils zwei Einsatzleitern. Die Grösse des jeweiligen Teams variiert dabei je nach Aufgabengebiet. Zum Beispiel wissen wir bereits – weil das Konzept weit fortgeschritten ist –, dass wir für den Betrieb von zwei Notfalltreffpunkten mindestens 24 Helferinnen und Helfer plus zwei Koordinationspersonen benötigen. Denn ein 24-Stunden-Betrieb kann nur mit einem Schichtdienst gewährleistet werden. Und pro Schicht benötigt es drei Personen. Beim Leistungsauftrag Notunterkünfte werden wir mit der Rekrutierung beginnen, sobald das Konzept ausgearbeitet wurde. Grundsätzlich werden alle Mitglieder der Einsatzteams aber so ausgebildet, dass sie überall einspringen können. Es ist uns gelungen, ein schlankes aber sehr gutes Kern-Team mit einer sehr guten Altersdurchmischung auf die Beine zu stellen. Sobald sämtliche Leistungsaufträge ausgearbeitet wurden, benötigen wir noch ein den Anforderungen entsprechendes Helfer-Team.
Und wie werden die Helferinnen und Helfer ausgebildet beziehungsweise auf den Ernstfall vorbereitet?
Das Amt für Bevölkerungsschutz sorgt für die Grundausbildung und die Weiterbildungen. Und wir vom Gemeindeschutz sind für die Organisation von Übungen und Rapporten zur Gewährung der Einsatzbereitschaft zuständig. Pro Jahr wird es vier bis fünf Übungen geben, an denen wir Notfallszenarien realitätsgetreu durchspielen. An diesen Terminen werden wir auch immer wieder die Handhabung des Funkgeräts Polycom üben. Ausserdem sind regelmässige Treffen notwendig, um die Menschen als Team zusammenwachsen zu lassen.
Und wo finden sich geeignete Personen für den Gemeindeschutz?
In der ersten Phase haben wir Personen angefragt, die wir kennen und für geeignet halten. Feuerwehrleute mit entsprechender Erfahrung fallen dabei weg, da sie in einem Ereignisfall bei der Feuerwehr gebraucht werden. Es sind also mehrheitlich Personen, die sich schon aktiv für das Dorfleben engagieren, zum Beispiel in Kommissionen. Dann haben wir im Gemeindemagazin Blickpunkt einen Bericht mit Aufruf veröffentlicht, auf den sich zwei Personen gemeldet haben. Im Verlaufe der letzten 14 Tagen haben sich weitere interessierte Personen für eine Mitwirkung im Gemeindeschutz Schaan gemeldet. Und es freut mich sehr, dass seit diesem Januar noch vier 18-Jährige dazugestossen sind. Damit haben wir das Team für die Notfalltreffpunkte bereits zusammen – eine tolle, bunte Mischung an hilfsbereiten Menschen. Ich freue mich schon sehr auf die Zusammenarbeit.
Weitere Informationen: www.gemeindeschutz.li und www.notfalltreffpunkt.li
Hier gehts zum Flyer Gemeindeschutz Schaan
Am 1. Februar werden landesweit die Notfalltreffpunkte eröffnet und die Bevölkerung ist eingeladen, live vor Ort Einblick in die Arbeit des Gemeindeschutzes zu nehmen. In Schaan können sich Interessierte von 16 bis 19 Uhr im Notfalltreffpunkt domus vor Ort informieren.
Foto: Eddy Risch