«Die Eisenbahn gehört in den Untergrund»
Eine Variantenprüfung zur Entlastung des Schaaner Zentrums vom Durchgangsverkehr – so lautete der Auftrag des Landtags an die Regierung im Mai 2020. Mittlerweile liegt der Bericht vor. Es hat sich gezeigt, dass jede Variante in unterschiedlichem Ausmass Vor- und Nachteile bringt. Eine Lösungsvariante für Schaan enthält auch der Vorschlag der IG mobiles Liechtenstein.
Gleich mal vorweg: Die Arbeitsgruppe aus Experten von Land und Gemeinde Schaan hat keine Ideallösung für das zunehmende Verkehrsproblem im Schaaner Zentrum gefunden. Die fünf vertieft geprüften Ansätze waren bereits vorher bekannt: eine Tieferlegung der Bahnhof- und Zollstrasse unter die Bahnlinie, eine Tieferlegung der Schienen, eine Verlegung der Bahnlinie hin zu einer Nordeinfahrt in den Bahnhof Buchs und eine Umfahrung von der Industriestrasse bis zur Zollstrasse oder bis zur Wiesengass. Der Vergleich zeigt auf, dass alle geprüften Varianten neben Vorteilen auch Nachteile mit sich bringen, wie die Regierung in ihrem Bericht und Antrag an den Landtag schreibt. Daher hat die Arbeitsgruppe auch keine konkrete Empfehlung abgegeben, und aktuell sind laut dem Infrastrukturministerium folglich keine Umsetzungsmassnahmen geplant. Zudem könne eine Verkehrsentlastung in Schaan nicht losgelöst von den anderen Gemeinden betrachtet werden, da jede Massnahme sich auch auf den Verkehr insgesamt auswirke. Eine isolierte Lösung greife daher zu kurz.
Nationaler, überparteilicher Schulterschluss
Die Umfahrungsstrassen und die Absenkung der Bahntrasse wären es aus Sicht der Regierung jedoch zumindest wert, weiterverfolgt zu werden. Auch diese Lösungen würden aber flankierende Massnahmen erfordern. Selbst eine Tunnellösung für eine Umfahrungsstrasse wäre als zusätzliche Variante grundsätzlich in Erwägung zu ziehen. Dort kommt auch die IG mobiles Liechtenstein ins Spiel, die sich seit vergangenem Jahr mit Lösungen der Verkehrsproblematik beschäftigt.
«Wir haben uns bekanntlich für die S-Bahn Liechtenstein eingesetzt, aber auch klar gesagt, dass wir bei einem Nein des Stimmvolks an anderen Lösungen arbeiten werden. Das haben wir seit mehr als einem Jahr konsequent gemacht», sagt Donath Oehri von der IG mobiles Liechtenstein. «Wichtig war uns, eine Gesamtlösung anzustreben, die allen Verkehrsträgern einen Gewinn bringt und alle Gemeinden entlastet, die unter dem zunehmenden Verkehrsaufkommen leiden. Wichtig war uns aber auch ein nationaler Schulterschluss über alle Parteigrenzen hinweg.»
Generationenprojekt ins Auge gefasst
Dieser Schulterschluss ist bereits gelungen. Am 12. Oktober stellte sich das Strategische Begleitgremium für ein «Nachhaltiges, ganzheitliches Raum- und Mobilitätskonzept Liechtenstein» vor. Diesem gehören mit Georg Kaufmann, Daniel Oehry, Dagmar Bühler-Nigsch und Herbert Elkuch Abgeordnete der vier Landtagsfraktionen an. Die Unabhängigen sind durch den Schaaner Gemeinderat Jack Quaderer vertreten. Als Koordinatoren und Projektbegleiter gehören Donath Oehri und Johannes Kaiser von der IG Mobiles Liechtenstein dem Gremium an. «Dieses gemeinsame Vorgehen soll von vornherein ausschliessen, dass die Diskussion über die Verkehrslösung der Zukunft von Altlasten gestört und von Killerkriterien dominiert wird. Es geht uns darum, alle Seiten einzubinden. Auch der Regierung und den Gemeindevorstehern haben wir unser Projekt bereits präsentiert. Es ist überall auf fruchtbaren Boden gestossen», heben die IG-Vertreter hervor.
Kurz zusammengefasst setzt das Konzept der IG mobiles Liechtenstein auf eine Reihe von unterirdisch geführten Korridoren im Gelände, um den Verkehr, sowohl die Bahn als auch den motorisierten Individualverkehr, überall dort von der Oberfläche zu entfernen, wo dies nötig ist. Für Schaan ist ebenfalls eine unterirdische Verkehrsführung sowohl für die Bahn als auch für die Hauptverkehrsachsen angedacht. Diese würden dafür sorgen, dass das Dorf nicht mehr durch die Eisenbahnlinie und die Hauptverkehrsachsen geteilt ist und somit grosse Freiflächen im Zentrum schaffen, aber auch den Durchgangsverkehr vom Zentrum entfernen und damit einen Gewinn an Lebensqualität bedeuten. «Wir suchen jedoch nicht nach einer Insellösung für Schaan, sondern wollen alle Talgemeinden gleichermassen entlasten. Daher ist das Konzept von Schaanwald und Ruggell bis Balzers sowie grenzüberschreitend abgestimmt. Wir sind uns bewusst, dass es sich um ein Generationenprojekt handelt, das viel Geld kosten und entsprechende Überzeugungsarbeit bedingen würde. Diese Aufgabe kann die Landes- und Gemeindepolitik nur zusammen mit der gesamten Bevölkerung und allen Parteien in einem grossen Schulterschluss schaffen», sagt Johannes Kaiser.
«Keine Variante hat brilliert»
«In Bezug auf das Schaaner Zentrum liegen die Varianten mit dem Bericht und Antrag der Regierung vor. Dass es keine Lösung ist, die Bahnhof- und Zollstrasse abzusenken, hat sich nochmals deutlich gezeigt, auch eine Nordeinfahrt der Bahn in Buchs ist nicht wirklich eine Alternative. Bei allen anderen Varianten ist es eine politische Frage, was stärker gewichtet werden soll: der ÖV oder der motorisierte Individualverkehr», sagt der Schaaner Gemeindevorsteher Daniel Hilti. Erfreut ist er darüber, dass sich eine Absenkung der Schienen im Zentrumsbereich als machbar erwiesen hat. «Es hat sich gezeigt, dass es technisch und ökologisch möglich ist. Am besten abgeschnitten hat in Bezug auf die Kosten und die Umweltberücksichtigung jedoch die Umfahrung von der Industriestrasse her bis zur Zollstrasse oder Wiesengass. Das wäre dann natürlich auch ein Votum für das Auto. Aber wie gesagt: Diese Entscheidung müssen Landtag und Regierung treffen. Ehrlicherweise muss man auch festhalten, dass keine der fünf Varianten absolut brilliert hat.»
Die Idee der IG mobiles Liechtenstein hat gemäss Daniel Hilti hingegen einige interessante Ansätze. «Natürlich gibt es noch viele Fragenzeichen und viel Klärungsbedarf. Möglicherweise ist auch nicht alles umsetzbar. Es ist meines Erachtens aber richtig, einmal anders zu denken, neue Ansätze zu verfolgen. Auch die Einbindung aller Kräfte scheint mir erfolgversprechend und sehr zielführend. Es war an der Zeit, dass die Politik nach so vielen Jahren der Lösungssuche geschlossen hinter einem Ansatz steht.»
Isolierte Lösungen nicht zielführend
Wenn der politische Wille einmal gebildet ist und die Leitplanken feststehen, gilt es für Daniel Hilti, alle Varianten und Lösungsansätze nochmals vor diesem Hintergrund zu prüfen, um möglichst alle verkehrsgeplagten Gemeinden zu entlasten. «Es wäre falsch, zu sagen ‹Nur wir Schaaner haben ein Problem›. Eine isoliert betrachtete Umfahrung von Schaan würde Vaduz, Bendern und Eschen-Nendeln sowie Schaanwald sicher zusätzlich belasten. Da bin ich mir mit der Regierung einig. Dass die Eisenbahn im Schaaner Zentrum in den Untergrund gehört, ist für mich aber vollkommen klar.»
Bildnachweis: Eddy Risch