
Kindsmörderin aus Schaan
Einen Steinwurf von der Kirche St. Peter entfernt tötete im Spätherbst 1865 die 24 Jahre alte unverheiratete Schaanerin Anna Maria Beck ihr Kind, das sie kurz zuvor alleine in der Nebenkammer ihres Elternhauses geboren hatte. Die Kindstötung geschah im mittleren der drei zusammengebauten Häuser an der Landstrasse. Später kam dieser Hausteil mit der Nr. 65 in den Besitz der Familie Schlattinger und wurde schon vor vielen Jahren abgebrochen.
Ich war meiner nicht mehr mächtig!
Einen Steinwurf von der Kirche St. Peter entfernt tötete im Spätherbst 1865 die 24 Jahre alte unverheiratete Schaanerin Anna Maria Beck ihr Kind, das sie kurz zuvor alleine in der Nebenkammer ihres Elternhauses geboren hatte.
Anna Maria Beck wurde am 11. August 1841 als einziges Kind der Eheleute Lorenz (1805-1860) und Anna Maria Beck geb. Frick (1801-1889) in Schaan geboren. Der Vater starb früh und die Mutter zeigte gegenüber ihrer Tochter wenig Verständnis und keine Liebe. Als Anna Maria im Spätherbst 1865 kurz vor der Geburt ihres unehelichen Kindes stand, verliess die Mutter das Haus und liess die Tochter alleine zurück. Durch das lieblose und harte Verhalten der Mutter endete die Situation tragisch. Anna Maria tötete ihr neugeborenes Kind und warf es in die Jauchegrube des Nachbarn Johann Frommelt. Kurz darauf wurde die Leiche des Kindes gefunden und Anzeige erstattet. Die Untersuchungen gegen Anna Maria Beck wurden am 15. Dezember 1865 begonnen und am 3. Februar 1866 geschlossen.
Im Zuge der Vernehmung veranlasste das Landgericht eine ärztliche Untersuchung über den Geisteszustand der Angeklagten durch Landesphysikus Dr. Karl Schädler. Anna Maria Beck berichtete dem Arzt vom Druck, den die Mutter auf sie ausgeübt hatte und von ihrer Angst, wegen dem ledigen Kind aus dem Elternhaus gejagt zu werden. Sie erzählte dem Landesphysikus, dass sie das Kind als ihr Unglück betrachtet hatte und es nicht lieben konnte. Erst als sie nach der Tat wieder zu sich gekommen sei, habe sie bitterlich darüber weinen müssen.
Im Gutachten von Dr. Karl Schädler vom 21. Januar 1866 steht: «Anna Maria Beck, 23 Jahre alt, ist unter mittlerer Körpergrösse und von schlaffer Leibesbeschaffenheit. Ihr Geisteszustand ist nicht Blödsinn, nächert sich aber demselben. Ihre Wahrnehmungen sind schwach und unvollständig, schwach ist ihr Gedächtnis, am schwächlichsten ihr Urteilsvermögen».
«Nach meinem gewissenhaften Dafürhalten hat Anna Maria Beck die Tötung ihres Kindes unter Umständen und Einwirkungen vollbracht, die ihren von Natur aus schwachen und ungeübten Geist in dem Grade trüben musste, dass ihre Zurechnungsfähigkeit während des Aktes wenigstens nur als eine sehr geminderte betrachtet werden darf». Der Name des Kindsvaters wurde weder im Verhörprotokoll noch im ärztlichen Gutachten aktenkundig. Auch die Frage, ob die Schwangerschaft die Folge einer Vergewaltigung war, hat niemand gestellt. In erster Instanz wurde Maria Anna Beck am 13. Februar 1866 wegen Kindsmords zu zehn Jahren schweren Kerkers verurteilt. Am 24. März 1866 hat das Oberlandesgericht in Innsbruck, als Oberster Gerichtshof des Fürstentums Liechtenstein, die Strafe der Maria Beck auf fünf Jahre einfachen Kerker reduziert. Nach 19 Monaten Gefängnis wurde Anna Maria Beck am 18. Juni 1867 von Fürst Johann II., genannt der Gute, begnadigt.
Ein bewegtes Leben
Nach Verbüssung ihrer Kerkerhaft heiratete Anna Maria 1872 den Schaaner Lorenz Kaufmann. Er war 21 Jahre älter als sie. Die beiden hatten fünf gemeinsame Kinder, drei Töchter und zwei Söhne. 1888, zwei Jahre nach dem Tod ihres Mannes Lorenz im Alter von 47 Jahren gebar Anna Maria ihr letztes Kind, den unehelichen Sohn Josef, der als Kleinkind starb. Von den sieben Kindern Anna Marias überlebten nur zwei das Kindesalter, der Sohn Lorenz (1880-1945) und die Tochter Maria Albertina (1883-1922). Beide gründeten später Familien. Anna Maria Beck ist am 19. Februar 1912 nach einem Schlaganfall verstorben.
Text und Recherche: Albert Eberle
Quellenverzeichnis:
Amt für Kultur/Landesarchiv/J/003/S/1866/020
Amt für Kultur/Landesarchiv/RE/1867/0547
Gutachten des Landesphysikus Schädler
Oberlandesgericht Inssbruck, Reduktion der Strafe
geändert am 16. August 2022